Steuerpflicht Sicherheitsverwahrung
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Steuerpflicht in der Sicherungsverwahrung?

Wenn der deutsche Staat eines genau nimmt, ist es die Wahrung und Einhaltung des Steuerrechts – ein Klischee, dessen Wahrheitsgehalt angesichts der zahlreichen Cum-Ex-Skandale ins Wanken geriet, sich jedoch im folgenden Fall wieder einmal bestätigt.

Das Finanzgericht Münster musste sich zuletzt zum einen mit der bereits höchstrichterlich entschiedenen Frage beschäftigen, ob die Einkünfte eines Sicherungsverwahrten überhaupt versteuert werden dürfen. Zum anderen wurde diskutiert, ob diese nichtselbstständigen oder sonstigen Einkünften im Sinne des Einkommenssteuergesetzes (EStG) zuzuordnen sind.

Die Frage kam im konkreten Fall auf, weil der Untergebrachte gegen einen Einkommenssteuerbescheid Klage erhob, in welchem seine Lohnzahlungen als sonstige Einkünfte eingeordnet wurden.

Der Inhaftierte wollte erreichen, dass ein Werbungskostenpauschbetrag i. H. v. 1.000 Euro angesetzt wird und brachte hierzu vor, dass seine Arbeit in der Justizvollzugsanstalt eine nichtselbstständige Tätigkeit gem. § 19 Abs. 1 EStG darstelle.

Des Weiteren brachte er vor, dass seine Tätigkeit generell nicht versteuert werden könne, da bei der Beschäftigung von Gefangenen und Untergebrachten die Resozialisierung und nicht die Einnahmeerzielung im Vordergrund stehe und deren Tätigkeit deshalb nicht mit einem „normalen“ Arbeitsverhältnis vergleichbar sei.

Nach Auffassung des Finanzamts stellen die Einnahmen eines Sicherungsverwahrten sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG dar.

Die Tätigkeit des Untergebrachten würden nicht aus einem Dienstverhältnis stammen und es bestehe dementsprechend auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit oder auf bezahlten Urlaub. Das Finanzamt führte aus, es sei allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur sei und Gefangene damit keine Arbeitnehmer seien könnten. Außerdem seien sie nur in die Unfall- und Arbeitslosenversicherung einbezogen, nicht jedoch auch in die Kranken- und Rentenversicherung. Die steuerliche Behandlung müsse diesen Grundsätzen folgen.

Das Finanzgericht Münster ist zumindest teilweise anderer Meinung. Mit Urteil vom 20.09.2023 (14 K 1227/21) bejaht das Gericht ein bestehendes Dienstverhältnis zwischen Sicherungsverwahrten und Justizvollzugsanstalt und zog als Begründung die unterschiedliche Stellung von Strafgefangenen und sicherungsverwahrten Personen heran.

Sicherungsverwahrte seien im Gegensatz zu „regulären“ Strafgefangenen nicht zur Arbeit verpflichtet. Dieser Unterschied resultiere auf dem verschiedenen Schutzzweck beider Maßnahmen. Die Freiheitsstrafe diene, wie der Name bereits vermuten lasse, der Bestrafung des Täters, stelle also vorrangig eine repressive Maßnahme dar.

Die Sicherungsverwahrung sei eine freiheitsentziehende Maßregel, die neben der Freiheitsstrafe angeordnet werden könne. In diesem Fall verbleibe der Täter aus präventiven Gründen in staatlicher Verwahrung, obwohl er seine Strafe schon verbüßt habe – er erbringe eine Art „Sonderopfer“ für die Allgemeinheit. Aus diesem Grund genössen Menschen in Sicherungsverwahrung gegenüber Strafgefangenen gewisse Privilegien.

Da Menschen in der Sicherungsverwahrung also freiwillig arbeiten würden, betätigen diese – nach Auffassung des Finanzgerichts – im Rahmen ihrer Tätigkeit einen „freien geschäftlichen Willen“, welcher für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft sowie eines Dienstverhältnisses ein entscheidendes Kriterium darstellt. In der Folge wurden die Einkünfte des Sicherungsverwahrten einer nichtselbstständigen Tätigkeit gem. § 19 Abs. 1 EStG zugeordnet.

Aus dieser Argumentation des Finanzgerichts ergibt sich automatisch, dass die Einkünfte des Untergebrachten zu versteuern sind.

Im Jahr 2021 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass Inhaftierte nicht von der Steuerpflicht befreit sind. Die Abgabe einer Steuererklärung sei regelmäßig möglich und zumutbar (BGH, Urt. v. 13.01.2021 – 1 StR 120/20).

Das Finanzgericht berief sich in seiner Urteilsbegründung auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, welcher klarstellte, dass ein besonderes Motiv des Arbeitgebers (wie z. B. die Absicherung der Resozialisierung) die Steuerbarkeit der Einkünfte nicht entfallen lasse. Die Tätigkeit sei damit zumindest auch auf die Einkommensmehrung durch Leistungsaustausch gerichtet (BFH, Urt. v. 14.09.1999, IX R 88/95, BFHE 189, 424, BStBl II 1999, 776).

In dem Fall, welcher durch das Finanzgericht Münster zu entscheiden war, nutzte der Untergebrachte die Einkünfte aus seiner Tätigkeit sogar zum Teil, um Unterhaltsleistungen an seinen Sohn zu erbringen – also eben gerade nicht nur, um seine Resozialisierung nach der Entlassung sicherzustellen. 

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