Schwangerschaftsabbruch und rechtliche Rahmenbedingungen

§ 218 StGB: Ein archaisches Überbleibsel vergangener Zeiten?

Die gesell­schafts­po­li­ti­sche Diskus­sion um Schwan­ger­schafts­ab­brüche ist nicht nur im deut­schen Raum, sondern auch inter­na­tional ein regel­rechter Dauer­brenner.

Während das sog. „Werbe­verbot für Schwan­ger­schafts­ab­brüche“ in § 219a StGB a. F. im Jahr 2022 in Deutsch­land gestri­chen wurde, blieb der Straf­tat­be­stand des Schwan­ger­schafts­ab­bruchs bestehen.

Grund­sätz­lich wird gem. § 218 Abs. 1 StGB mit Frei­heits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe bestraft, wer eine Schwan­ger­schaft abbricht.

Wenn die Schwan­gere selbst die Tat begeht, ist sie bzgl. des Straf­maßes gem. § 218 Abs. 3 StGB privi­le­giert und muss im Höchstmaß mit einer Frei­heits­strafe von bis zu einem Jahr rechnen.

In bestimmten Fällen ist der Abbruch einer Schwan­ger­schaft nach § 218a StGB straflos:

So sind gem. § 218a Abs. 1 StGB die Fälle aus dem Tatbe­stand des § 218 StGB ausge­nommen, in denen die Schwan­gere den Abbruch auf eigenen Wunsch hin inner­halb der ersten zwölf Wochen der Schwan­ger­schaft von einem Arzt vornehmen lässt und sich mindes­tens drei Tage vorher einer entspre­chenden Bera­tung unter­zieht.

Laut § 219 StGB muss die Bera­tung von einer aner­kannten Konflikt­be­ra­tungs­stelle vorge­nommen werden, die insbe­son­dere den Anfor­de­rungen des sog. Schwan­ger­schafts­kon­flikt­ge­setzes genügt.

Abge­sehen von dieser Konstel­la­tion gibt es zwei Situa­tionen, in denen der Abbruch zwar tatbe­stands­mäßig, aber aufgrund der beson­deren Umstände nicht rechts­widrig ist:

Dies betrifft zum einen die medi­zi­ni­sche Indi­ka­tion, wie sie in § 218 Abs. 2 StGB gere­gelt wird und zum anderen die Indi­ka­tion aus krimi­no­lo­gi­schen Gründen nach § 218 Abs. 3 StGB, mithin die Situa­tion, dass die Schwan­ger­schaft das Resultat eines Sexu­al­de­likts ist.

§ 218 Abs. 4 S. 1 StGB sieht einen sog. persön­li­chen Straf­aus­schlie­ßungs­grund für die Schwan­gere vor. Die Tat kann tatbe­stands­mäßig, rechts­widrig und schuld­haft begangen worden sein, die Schwan­gere wird jedoch nicht bestraft, wenn sie den Schwan­ger­schafts­ab­bruch inner­halb der ersten 22 Wochen nach erfolgter Bera­tung i. S. d. § 219 StGB von einem Arzt vornehmen lässt – der Arzt bleibt in diesen Fällen jedoch strafbar (!).

Gem. § 218 Abs. 4 S. 2 StGB kann schließ­lich von Strafe abge­sehen werden, wenn sich die Schwan­gere beim Abbruch in einer beson­deren Bedrängnis befand.

Seitdem die §§ 218 ff. StGB vor ca. dreißig Jahren neuge­fasst wurden, hat sich im inter­na­tio­nalen Recht dies­be­züg­lich einiges getan:

Im Jahr 1994 verab­schie­deten die Vereinten Nationen (UN) ein Akti­ons­pro­gramm, das vor allem die sog. repro­duk­tiven Rechte stärken soll. Unter diese fällt das Recht auf die freie Entschei­dung, ob eine Person Kinder bekommen möchte und das Recht auf lebens­langen Zugang zu entspre­chenden Infor­ma­tionen, Ressourcen, Dienst­leis­tungen und Unter­stüt­zung.

Vor allem in den letzten zwanzig Jahren wurde es für Schwan­gere prak­tisch immer schwie­riger, Zugang zu einem ärzt­li­chen Abbruch zu bekommen; zwischen den Jahren 2003 und 2021 hat sich die Zahl der entspre­chenden Einrich­tungen fast halbiert. Vor allem in länd­li­chen Gegenden gibt es häufig gar keine Ange­bote mehr.

Vor diesem Hinter­grund und mit Beru­fung auf das Recht auf repro­duk­tive Selbst­be­stim­mung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), die Gewis­sens­frei­heit (Art. 4 Abs. 1 GG) und die Gleich­heits­rechte (Art. 3 Abs. 2, 3 GG) fordern nunmehr immer mehr Gruppen, unter ihnen vor allem der Deut­sche Juris­tin­nen­bund (djb e.V.), aber inzwi­schen z. B. auch die evan­ge­li­sche Kirche, den Schwan­ger­schafts­ab­bruch außer­halb des Straf­rechts zu regeln.

Ange­führt werden hierzu außerdem unter anderem die starke Stig­ma­ti­sie­rung, die mit einer Krimi­na­li­sie­rung einher­ginge und die Eigen­schaft des Straf­rechts als abso­lute „ultima ratio“.

Die Bundes­re­gie­rung verpflich­tete sich im Koali­ti­ons­ver­trag, eine Kommis­sion zur repro­duk­tiven Selbst­be­stim­mung und Fort­pflan­zungs­me­dizin einzu­setzen.

Ende März 2023 nahm diese Kommis­sion ihre Arbeit auf und prüft seitdem unter anderem mögliche Wege, mittels derer Schwan­ger­schafts­ab­brüche außer­halb des Straf­ge­setz­buchs regu­liert werden können.

Wann sie ihre Ergeb­nisse öffent­lich vorstellen wird und ob sich hieraus in Zukunft tatsäch­lich Ände­rungen im Straf­recht ergeben, steht zurzeit noch in den Sternen. Mögli­cher­weise wird es hierbei auch darauf ankommen, aus welchen Parteien sich die Bundes­re­gie­rung in der nächsten Legis­la­tur­pe­riode zusam­men­setzen wird.

Sollten Sie weitere Fragen haben oder Beschul­digter in einem Straf­ver­fahren sein, so kontak­tieren Sie uns gerne.

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