Reichsbürger-Prozesses in Stuttgart

„Abgrund einer terroristischen Bedrohung“ – Auftakt des Reichsbürger-Prozesses in Stuttgart

„Deutsch­land GmbH“, „Quer­denker“, „Echsen­men­schen“, „Aluhüte“ – spätes­tens seit der Corona-Pandemie kann wohl jeder etwas mit dem Begriff des Reichs­bür­gers verbinden. Ange­sichts der Absur­dität mancher Verschwö­rungs­my­then dieser Grup­pie­rung, wirkt es teil­weise so, dass diese nicht tatsäch­lich ernst gemeint sein können. Nach dem Start des Reichs­bürger-Prozesses in Stutt­gart zeigt sich jedoch, wie ernst es manchen damit ist.

Spätes­tens, wenn Reichs­bürger-Akti­vi­täten so weit ausarten, dass Regie­rungs­um­stürze ausge­ar­beitet werden, ist jedoch wohl endgültig jeder Spaß vorbei.

So kam es nach längeren Ermitt­lungen im Dezember 2022 in verschie­denen Bundes­län­dern sowie Öster­reich und Italien zu einer Groß­razzia gegen das Reichs­bürger-Milieu, im Rahmen derer eine Viel­zahl von sog. Reichs­bür­gern fest­ge­nommen wurde – darunter auch Hein­rich XIII. Prinz Reuß. Der „adlige“ Immo­bi­li­en­un­ter­nehmer sollte laut Angaben der Bundes­an­walt­schaft nach den Plänen des Terror­netz­werks als eine Art „Staats­ober­haupt“ einge­setzt werden.

Ziel der Grup­pie­rung soll die gewalt­same Besei­ti­gung der demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung gewesen sein. Es sei geplant gewesen, dass ein sog. „Rat“ die Regie­rungs­ge­schäfte über­nimmt und ein „mili­tä­ri­scher Arm“ sollte eine „neue deut­sche Armee“ und „Heimat­schutz­kom­pa­nien“ aufbauen.

Zweiter Rädels­führer war laut Bundes­an­walt­schaft Rüdiger v. P., ein ehema­liger Fall­schirm­jäger-Komman­deur. Darüber hinaus waren unter anderem die ehema­lige AfD-Bundes­tags­ab­ge­ord­nete Birgit Malsack-Winke­mann, frühere Offi­ziere von Spezi­al­ein­heiten der Bundes­wehr und auch einige weitere aktive und nicht aktive Bundes­wehr­sol­daten invol­viert.

Um die „neue staat­liche Ordnung“ in Deutsch­land mit den alli­ierten Sieger­mächten des Zweiten Welt­kriegs zu verhan­deln, soll Reuß bereits versucht haben, die Russi­sche Föde­ra­tion zu kontak­tieren, die wohl der zentrale Ansprech­partner in diesem Zusam­men­hang werden sollte.

Bundes­in­nen­mi­nis­terin Nancy Faeser sprach in diesem Zusam­men­hang von einem „Abgrund terro­ris­ti­scher Bedro­hung“.

Eine viel­sa­gende Infor­ma­tion am Rande: Im Jahr 2023 begann auch das Bauord­nungsamt des Saale-Orla-Kreises gegen den „Reichs­bürger-Anführer“ zu ermit­teln. Auf dem Gelände seines Jagd­schlosses befindet sich nämlich ein vergol­deter Pavillon in Form einer Pyra­mide, der nach Auffas­sung des Ordnungs­amts mangels Bauge­neh­mi­gung dort nicht stehen dürfte.

Der Pyra­mi­denbau, der am Funda­ment etwa zehn mal zehn Meter groß ist, soll im Jahr 2021 errichtet worden sein – angeb­lich wollte Hein­rich XII. Prinz Reuß sich hier­durch vor Funk­wellen schützen und ließ die Grund­kon­struk­tion deshalb aus Alumi­ni­um­teilen herstellen und alle Hohl­räume mit Quarz­sand füllen.

Nun laufen an drei Oberlandesgerichten parallel Strafprozesse gegen die beteiligten Akteure.

Den Anfang machte am Montag das OLG Stutt­gart, vor dem sich neun der insge­samt 26 Ange­klagten im streng abge­si­cherten Gerichts­saal in Stamm­heim verant­worten müssen – derselbe Saal, in dem damals die Rote-Armee-Frak­tion (RAF) vor Gericht stand.

Im Reichs­bürger-Prozess in Stutt­gart wird den Ange­klagten die Mitglied­schaft in einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung (§ 129 StGB) und die Vorbe­rei­tung eines hoch­ver­rä­te­ri­schen Unter­neh­mens (§ 83 StGB) zur Last gelegt. Einem der Ange­klagten wird sogar versuchter Mord vorge­worfen, da er im März 2023 bei der Durch­su­chung einer Wohnung auf Poli­zei­be­amte geschossen haben soll.

Reuß selbst wird, gemeinsam mit anderen Ange­klagten, erst ab dem 21.05.2024 in Frank­furt vor Gericht stehen.

Die rest­li­chen Mitglieder des Terror­netz­werks müssen sich ab dem 18.06.2024 vor dem OLG München verant­worten.

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