Bargeld wird von einer Männerhand zu einem anderen Mann über einen Tisch geschoben

BGH bejaht in zwei aktuellen Entscheidungen das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung i. S. d. § 129 StGB

§ 129 StGB stellt die Bildung einer krimi­nellen Verei­ni­gung unter Strafe.

Nach § 129 Abs. 1 StGB wird mit Frei­heits­strafe bis zu fünf Jahren oder mit Geld­strafe bestraft, wer eine Verei­ni­gung gründet oder sich an einer Verei­ni­gung als Mitglied betei­ligt, deren Zweck oder Tätig­keit auf die Bege­hung von Straf­taten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Frei­heits­strafe von mindes­tens zwei Jahren bedroht sind. Mit Frei­heits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe wird zudem bestraft, wer eine solche Verei­ni­gung unter­stützt oder für sie um Mitglieder oder Unter­stützer wirbt.

Gem. § 129 Abs. 2 StGB ist eine Verei­ni­gung ein auf längere Dauer ange­legter, von einer Fest­le­gung von Rollen der Mitglieder, der Konti­nuität der Mitglied­schaft und der Ausprä­gung der Struktur unab­hän­giger orga­ni­sierter Zusam­men­schluss von mehr als zwei Personen zur Verfol­gung eines über­ge­ord­neten gemein­samen Inter­esses.

Täter­grup­pie­rungen aus dem Bereich der orga­ni­sierten Krimi­na­lität können dabei ebenso wie sons­tige Zusam­men­schlüsse aus dem Bereich der Wirt­schafts­kri­mi­na­lität unter den Begriff der krimi­nellen Verei­ni­gung fallen. Erfor­der­lich hierfür ist neben den sons­tigen Voraus­set­zungen, dass der Zusam­men­schluss ein — über ledig­lich indi­vi­du­elle Einzel­in­ter­essen der Mitglieder hinaus­ge­hendes — über­ge­ord­netes gemein­sames Inter­esse verfolgt. Dieses muss insbe­son­dere über die bezweckte Bege­hung der konkreten Straf­taten und ein Handeln um eines persön­li­chen mate­ri­ellen Vorteils willen hinaus­gehen.

Zur Ermitt­lung des für eine Verei­ni­gung konsti­tu­tiven über­ge­ord­neten gemein­samen Inter­esses können im Rahmen einer Gesamt­wür­di­gung die äußeren Tatum­stände heran­ge­zogen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 02.06.2021 — Az. 3 StR 61/21, Urt. v. 02.06.2021 — 3 StR 21/21, Rn. 21 ff.). Von Bedeu­tung sind hierfür unter anderem der Umfang und das Ausmaß genutzter — gege­be­nen­falls auch grenz­über­schrei­tender — orga­ni­sa­to­ri­scher Struk­turen sowie sach­li­cher Mittel, eine fest­ge­legte einheit­liche Willens­bil­dung, die Anzahl der Mitglieder, ein von den konkreten Personen losge­löster Bestand, eine etwaige Gemein­schafts­kasse und die Bean­spru­chung quasi­staat­li­cher Auto­rität.

Der Bundes­ge­richtshof musste sich in jüngster Vergan­gen­heit mehr­fach mit der Frage nach dem Vorliegen einer krimi­nellen Verei­ni­gung ausein­an­der­setzen.

Hawala-Banking-Orga­ni­sa­tion: Verur­tei­lungen wegen Betei­li­gung an krimi­neller Verei­ni­gung

Das sog. „Hawala-Banking“ ist ein profes­sio­nell betrie­benes, welt­weit bestehendes infor­melles System, um Geld ins Ausland zu schi­cken. Die Trans­ak­tion funk­tio­niert dabei anonym und ohne eine Bank­über­wei­sung, Ein- und Auszah­lungen erfolgen ausschließ­lich in bar.

Das Land­ge­richt Köln hat mit Urteil vom 23.05.2022 drei Ange­klagte des vorsätz­li­chen uner­laubten Erbrin­gens von Zahlungs­diensten in Tatein­heit mit mitglied­schaft­li­cher Betei­li­gung an einer krimi­nellen Verei­ni­gung sowie teil­weise zudem der Unter­schla­gung schuldig gespro­chen (LG Köln, Urt. v. 23.05.2022 — 109 KLs 5/21 — 115 Js 295/21 — 115 Js 500/21). Verhängt wurden Gesamt­frei­heits­strafen von drei Jahren sowie zwei Jahren und acht Monaten sowie eine Frei­heits­strafe von zwei Jahren und acht Monaten.

Mit Urteil vom 06.12.2022 hat das Land­ge­richt Köln einen Ange­klagten wegen vorsätz­li­chen uner­laubten Erbrin­gens von Zahlungs­diensten in Tatein­heit mit mitglied­schaft­li­cher Betei­li­gung an einer krimi­nellen Verei­ni­gung sowie Geld­wä­sche zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von zwei Jahren und sechs Monaten verur­teilt (LG Köln, Urt. v. 06.12.2022 — 109 KLs 7/22 — 115 Js 897/18).

Nach den vom Land­ge­richt Köln in beiden Verfahren getrof­fenen Fest­stel­lungen schlossen sich die Ange­klagten ab dem Jahr 2016 mit weiteren Personen zu einer konspi­rativ vorge­henden und arbeits­teilig orga­ni­sierten Grup­pie­rung unter der Führung eines geson­dert Verfolgten zusammen. Die Orga­ni­sa­tion war darauf ausge­richtet, unter Gewäh­rung abso­luter Anony­mität außer­halb des staat­lich beauf­sich­tigten Finanz­sek­tors provi­si­ons­pflich­tige Finanz­dienst­leis­tungen in Form von Geld­trans­fers nach Art des sog. Hawala-Bankings durch­zu­führen. Im Tatzeit­raum trans­fe­rierten sie Vermö­gens­werte im Gesamt­wert von über 356 Millionen Euro von Deutsch­land in die Türkei.

Das Land­ge­richt stellte fest, dass ein auf längere Dauer ange­legter, orga­ni­sierter Zusam­men­schluss von mehr als zwei Personen bestand, welcher ein über­ge­ord­netes Ziel verfolgte. So stellte der Fort­be­stand des Hawala-Systems – nach Auffas­sung des Gerichts – ein eigen­hän­diges Ziel der Verei­ni­gung dar, welches über die indi­vi­du­elle Gewinn­schöp­fung hinaus­gehe.

Der Bundes­ge­richtshof hat die hier­gegen gerich­teten Revi­sionen, mit welchen die Ange­klagten jeweils die Verlet­zung mate­ri­ellen Rechts gerügt hatten, im Wesent­li­chen verworfen (BGH, Beschl. v. 01.06.2023 — 3 StR 414/22 sowie Beschl. v. 28.06.2023 – 3 StR 4003/20).

Der BGH hat damit erneut die recht­liche Quali­fi­zie­rung einer ein Hawala-Banking-System betrei­benden Orga­ni­sa­tion als krimi­nelle Verei­ni­gung im Sinne von § 129 Abs. 2 StGB — wie bereits in seinen Entschei­dungen vom 2. Juni 2021 (3 StR 61/21) und vom 28. Juni 2022 (3 StR 403/20) — bestä­tigt. Die Urteile des Land­ge­richts sind nunmehr rechts­kräftig.

Haft­strafen für die Mitglieder der „Goyim Partei“ rechts­kräftig

Die soge­nannte Goyim Partei Deutsch­land (GPD) ist eine seit August 2016 bestehende rechts­extre­mis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche Verei­ni­gung. Laut der Bundes­an­walt­schaft verbrei­tete diese „massen­haft und syste­ma­tisch recht­ex­tre­mis­ti­sches Gedan­kengut sowie die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Welt­an­schauung“ über ihre Website.

Das Ober­lan­des­ge­richt Düssel­dorf hatte die drei Ange­klagten wegen mitglied­schaft­li­cher Betei­li­gung an einer krimi­nellen Verei­ni­gung und zahl­rei­chen Fällen der Volks­ver­het­zung zu Frei­heits­strafen zwischen zwei und fünf Jahren Haft verur­teilt. Weiterhin wurde der Ange­klagte C., den das Gericht für den Gründer und Rädels­führer der anti­se­mi­ti­schen Partei wegen der Grün­dung der Grup­pie­rung verur­teilt (OLG Düssel­dorf, Urt. v. 27.05.2022 — 6 StS 2/21).

Nach den Fest­stel­lungen des OLG errich­tete der Ange­klagte C. ab dem Jahre 2014 eine aus Internet-Foren und Chat-Gruppen bestehende Kommu­ni­ka­ti­ons­in­fra­struktur, über die sich gleich­ge­sinnte Nicht-Juden auf der ganzen Welt online mitein­ander vernetzen sollten. Ziel war der gegen­sei­tige Austausch von Infor­ma­tionen über die vorgeb­liche welt­weite Unter­drü­ckung der Nicht-Juden durch Juden. Gleich­zeitig sollten Mitglieder für die Grup­pie­rung gewonnen werden.

C. verbrei­tete auf der russi­schen Internet-Platt­form “vk.com” anti­se­mi­ti­sche, rassis­ti­sche und den Natio­nal­so­zia­lismus verherr­li­chende Beiträge. Für die Partei nutzte er ein haken­kreuz­ähn­li­ches Logo. Nach den Fest­stel­lungen des OLG nutzte er den Namen „Goyim Partei“, um dein Eindruck einer global aktiven poli­ti­schen Bewe­gung zu erwe­cken.

Für mindes­tens 30 vermeint­liche natio­nale Unter­gruppen der „Inter­na­tional Goyim Party“ erstellte er auf vk.com eigene Social-Media-Seiten, so auch für die „Goyim Partei Deutsch­land“. Alle Seiten waren öffent­lich zugäng­lich und wurden von natio­nalen und inter­na­tio­nalen Benut­zern stark frequen­tiert.

Seine beiden Mitan­ge­klagten einte eine rechts­extre­mis­ti­sche Gesin­nung. Neben weiteren Personen aus dem Ausland schlossen sich die beiden Mitan­ge­klagten dem Ange­klagten C. an, um mit ihm gemeinsam so viele anti­se­mi­ti­sche Inhalte wie möglich über die Goyim-Seiten zu verbreiten.

Die Ange­klagten stellten zahl­reiche Juden diskre­di­tie­rende und diffa­mie­rende sowie teil­weise zur Gewalt gegen Juden ansta­chelnde Inhalte auf den Goyim-Seiten ein. Sie demen­tierten und baga­tel­li­sierten den Holo­caust.

Das OLG kam in seinen Fest­stel­lungen zu dem Ergebnis, dass die Ange­klagten anti­se­mi­ti­schen Hass schüren, zu Gewalt gegen Juden ansta­cheln und Juden welt­weit vernichten wollten. Diese Ziele hätten sie sogar in einem Mani­fest nieder­ge­schrieben.

Der Bundes­ge­richtshof verwarf die Revi­sion gegen das Urteil des Düssel­dorfer OLG (BGH, Beschl. v. 28.06.2023 – Az. 3 StR 424/22), sodass die verhängten Haft­strafen für die Mitglieder der sog. „Goyim“-Partei nunmehr rechts­kräftig sind.

Der BGH befand in seiner Entschei­dung, dass das OLG die Grup­pie­rung zu Recht als krimi­nelle Verei­ni­gung im Sinne von § 129 Abs. 1, 2 StGB einge­stuft hatte. Die Tatsache, dass die Betei­ligten nur über das Internet mitein­ander kommu­ni­ziert hatten, stehe dem nicht entgegen.

Die gesetz­li­chen Voraus­set­zungen des § 129 StGB könnten – so der BGH in seiner Entschei­dung vom 28.06.2023 – auch im Falle reiner Online-Kommu­ni­ka­tion erfüllt werden.

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