Großer Raum mit vielen direkt nebeneinander liegenden Türen

BVerfG-Entscheidung: Bloße Vermutungen rechtfertigen keine Durchsuchung

Mit Beschluss vom 19.04.2023, 2 BvR 2180/20, hat das Bundesverfassungsgericht die Durchsuchung der in Dortmund befindlichen Privatwohnung des mutmaßlichem Clan-Mitgliedes Sammy Miri, welche das Amtsgericht Hagen im August 2020 angeordnet hatte, für verfassungswidrig erklärt.

Zentral gestützt wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darauf, dass die Durchsuchung in ungerechtfertigter Weise in das in Art. 13 GG verankertes Grundrecht des Beschuldigten auf die Unverletzlichkeit der Wohnung eingreife.

Hintergrund der Hausdurchsuchung war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche sowie weiterer Delikte.

Dieses Verfahren soll in Zusammenhang mit weiteren Ermittlungen gegen einen Beschuldigten namens K. wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs stehen, der unter anderem Verbindungen zu Miri aufweisen soll. Jene Verbindungen sollten vor allem zwei von K. betriebene Unternehmen (A.-UG und B.-UG) betreffen.

Am 12.08.2020 durchsuchte die Polizei Miri selbst sowie dessen Wohnung, sonstige Räume des Anwesens einschließlich der zugehörigen Sachen und Behältnisse, Nebengelasse, Kraftfahrzeuge und Garagen.

Ziel der Durchsuchung war es unter anderem, Hinweise „auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der A. UG sowie der B. UG sowie die Herkunft dieser Mittel, auf etwaige Absprachen zwischen den Beteiligten, sowie Dokumente, Mobiltelefone, Datenträger, Computer und sonstige Speichermedien aufzufinden.“

Nachdem Miri erfolglos Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt hatte, erhob er, vertreten durch seine Rechtsanwältin, am 11.12.2020 Verfassungsbeschwerde und rügte die Verletzung von Art. 13 GG.

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung – zumeist – schwerwiegend ein.

Das Bundesverfassungsgericht definierte in seiner Entscheidung zunächst die Anforderungen an einen gerechtfertigten Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, mithin einer rechtmäßigen Durchsuchung:

Notwendiger, aber auch in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung hinreichender Anlass für eine Durchsuchung ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs verlangt auf konkreten Tatsachen beruhende Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen […]. Eine Durchsuchung darf somit nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind […].“

Zudem „muss der Beschluss den Tatvorwurf und die gesuchten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchgeführt wird. […] Der Betroffene wird auf diese Weise zugleich in den Stand gesetzt, die Durchsuchung zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen von vornherein entgegenzutreten […]. Die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen benannt werden […].“

Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts mangelte es sowohl an jenen konkreten Tatsachen als auch an der Begrenzung der Durchsuchungsanordnung:

Soweit die Fachgerichte den Durchsuchungsbeschluss auf den Tatverdacht einer Geldwäsche gemäß § 261 I StGB a.F. gestützt haben, reichen die zugrundeliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht über vage Anknüpfungen und bloße Vermutungen hinaus.“

Der Beschluss des Amtsgerichts habe kaum aussagekräftige Ausführungen zur Herkunft der verschleierten Vermögenswerte und den Katalogtaten des § 261 I StGB enthalten – weder der Verdacht der Steuerhinterziehung noch eine vermeintliche „Gewaltkriminalität“ oder ein angebliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln seien näher bestimmt worden und hätten somit keinen Anfangsverdacht begründen können.

Die Mess- und Kontrollierbarkeit der Vollziehung sei außerdem aufgrund der mangelnden Konkretisierung der angeblichen Vortaten und der gesuchten Beweismittel nicht gewährleistet gewesen.

Die Entscheidung des BVerfG zeigt: Durchsuchungen sind eben nicht dazu da, die Häuslichkeiten von Menschen in uferloser Weise auszuforschen, in der Hoffnung, hierdurch einen Anfangsverdacht konstruieren zu können – dies gilt auch bei mutmaßlichen Clan-Mitgliedern.

Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung und Durchführung einer Durchsuchung mittels Beschwerde kann sich vielfach als probates Mittel darstellen, um sich gegen eine solche staatliche Zwangsmaßnahme zur Wehr zu setzen.

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