Die „Letzte Generation“ – Kriminelle Vereinigung oder legitime Protestbewegung?
„Die Entstehung einer Klima-RAF muss verhindert werden“ – mit diesen Worten forderte Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Ende 2022 eine härtere Bestrafung von Aktivist*innen der Klimabewegung „Letzte Generation“.
Im Dezember 2022 durchsuchte die Polizei im Rahmen einer bundesweiten Razzia in verschiedenen Bundesländern die Wohnungen von elf Mitgliedern der Klimaprotestgruppe.
Die Berliner Strafverfolgungsbehörden lehnten einen entsprechenden Anfangsverdacht hingegen ab. Auch die von der Berliner Justizsenatorin Dr. Felor Badenberg in Auftrag gegebene Prüfung kam im Juli 2023 zum selben Ergebnis, wobei allerdings betont wurde, dass die Einstufung der Bewegung einer „permanenten Neubewertung“ unterliege.
Nicht nur in der Politik, sondern auch unter Juristen ist die Einstufung der „Letzten Generation“ umstritten.
Die Strafbarkeit der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist in § 129 Abs. 1 StGB geregelt: Die Gründung oder Beteiligung an einer Vereinigung, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind, wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft.
Konsens besteht zumindest hinsichtlich der Teilfrage, dass die „Letzte Generation“, deren grundlegendes Ziel es ist, eine Eskalation der Klimaschutzmaßnahmen von politischer Seite durchzusetzen, angesichts ihrer stetig wachsenden Mitgliederzahl, der Vielzahl vorhandener Ortsgruppen, ihres internationalen Netzwerkes und ihrer inzwischen etablierten inneren Struktur gem. der Definition in § 129 Abs. 2 StGB eine Vereinigung darstellt.
Der Streitpunkt liegt vielmehr in der Frage, ob der Zweck bzw. die Tätigkeit der „Letzten Generation“ auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist. Hierzu ist zumindest eine Ausrichtung auf eine größere oder unbestimmte Mehrzahl von Straftaten erforderlich.
Darüber hinaus verlangt der Bundesgerichtshof, dass die Zweckverfolgung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt; wenn die Vereinigung also nur geringfügige Straftaten begehen will, liegt keine kriminelle Vereinigung vor.
Hinzu kommt, dass die Annahme einer Begehung nach § 129 Abs. 1 StGB durch § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB dann ausgeschlossen wird, wenn die Straftaten als Zweck oder Tätigkeit nur eine untergeordnete Bedeutung einnehmen.
Die „Letzte Generation“ stellt auf ihrer Website selbst klar, zur Erreichung ihrer Ziele regelmäßig auf zivile Widerstandsmaßnahmen zurückzugreifen und hierfür auch die strafrechtliche Verfolgung ihrer Mitglieder in Kauf zu nehmen; allein aufgrund dessen lässt sich die Ausrichtung auf eine Bandbreite von Straftaten wohl bejahen.
Diese bestanden bisher vor allem aus Straßenblockaden, diversen Beschädigungs- bzw. Beschmutzungsaktionen an Objekten, Eingriffen in die Funktionstätigkeit von Öl-Pipelines und dem Eindringen auf Privatgelände.
Diskutieren kann man diesbezüglich eine Strafbarkeit wegen Nötigung, gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr, Sachbeschädigung, der Störung öffentlicher Betriebe und Hausfriedensbruchs.
Nun stellt sich die Frage, ob die Aktionen der „Letzten Generation“ eine Gefahr für öffentliche Sicherheit darstellen bzw. ob sie einen nicht nur untergeordneten Zweck der Vereinigung verkörpern.
Stellt man darauf ab, ob die Protestaktionen Angstgefühle in der Bevölkerung schüren, so müsste man eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit wohl verneinen. Zudem richtet sich die Organisation nicht auf die Begehung von Straftaten gegen Leib und Leben, sondern v. a. gegen das Eigentum und die Willensfreiheit; insofern ist die Erheblichkeit der Gefahr zumindest zweifelhaft.
Jedoch sind gleichsam die sich inzwischen angehäuften und breiten Auswirkungen der Kampagnen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen zu beachten. Darüber hinaus scheinen die Straftaten vor allem in letzter Zeit gerade den Faktor abzubilden, der für die „Letzte Generation“ die meiste Aufmerksamkeit generiert und damit ein prägendes Moment ihrer Struktur darstellt.
Bis zu dieser Diskussion eine höchstrichterliche Entscheidung ergeht, wird vermutlich noch einige Zeit vergehen. In einem sind sich jedoch die meisten einig: Ein Vergleich der „Letzten Generation“ mit der „RAF“, die über 30 Menschen tötete sowie Banküberfälle und Sprengstoffattentate verübte, stellt sich doch als deutlich überzogen da. Ob eine solche Bezeichnung eine strafbare Beleidigung darstellen könnte, wird übrigens ebenfalls debattiert.