Keine Reformierung des Mordparagraphen § 211 StGB

(Keine) Reformierung des Mordparagraphen § 211 StGB?

Schon seit Jahren wird eine Refor­mie­rung der Tötungs­de­likte, insbe­son­dere des Mord­pa­ra­gra­phen § 211 StGB disku­tiert.

Bereits im Jahr 2016 gab es nach zwei­jäh­riger Bera­tung inner­halb einer hoch­ka­rätig einge­setzten Exper­ten­gruppe die klare Empfeh­lung den Mord­pa­ra­gra­phen zu refor­mieren.

Wann ist jemand ein Mörder?

Anders als Viele denken, besteht der Unter­schied zwischen einer Straf­bar­keit wegen Totschlags nach § 212 StGB und einer Straf­bar­keit wegen Mordes nach § 211 StGB nicht im Vorliegen des Vorsatzes, sondern im Vorliegen eines oder mehrerer Mord­merk­male.

Gem. § 211 StGB ist Mörder, wer mindes­tens eines der verschie­denen Mord­merk­male verwirk­licht. Diese werden unter­teilt in objek­tive (tatbe­zo­gene) und subjek­tive (täter­be­zo­gene) Mord­merk­male. Subjektiv sind die Mord­merk­male der ersten und dritten Gruppe, objektiv die der zweiten Gruppe.

Als Mörder wird gem. § 211 StGB bestraft, wer aus Mord­lust, zur Befrie­di­gung des Geschlechts­triebs, aus Habgier oder sonst aus nied­rigen Beweg­gründen, heim­tü­ckisch oder grausam oder mit gemein­ge­fähr­li­chen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermög­li­chen oder zu verde­cken, einen anderen Menschen tötet.

Die Mord­merk­male der ersten Gruppe umfassen:

Die Mord­lust, welche vorliegt, wenn die Tötung des Opfers als solche den einzigen Zweck der Tat bildet, insbe­son­dere wenn allein aus der Freude an der Vernich­tung eines Menschen­le­bens getötet wird.

Die Tötung zur Befrie­di­gung des Geschlechts­triebs, welche erfüllt, wer im Tötungsakt selbst die geschlecht­liche Befrie­di­gung sucht („Lust­mord“), wer das Opfer tötet, um sich an der Leiche geschlecht­lich zu befrie­digen, oder wer den Tod des Opfers in Kauf nimmt, um den Geschlechts­ver­kehr durch­führen zu können.

Die Tötung aus Habgier, in der ein direktes, gestei­gertes Streben nach Vermö­gen­vor­teilen um jeden Preis zu verstehen ist. Aus Habgier tötet, wer bei der Bege­hung der Tat von der Vorstel­lung geleitet wird, dass sich sein Vermögen durch den Tod des Opfers unmit­telbar vermehrt oder durch den Tod eine Aussicht auf Vermö­gens­meh­rung entsteht (z. B. Tötung in dem Bestreben als Erbe einge­setzt zu werden, Tötung als Erfül­lung eines entgelt­li­chen Auftrages).

Die Tötung aus nied­rigen Beweg­gründen, welche all die Beweg­gründe umfasst, die nach allge­meiner sicht­li­cher Wertung auf nied­rigster Stufe stehen und deshalb beson­ders verach­tens­wert und verwerf­lich sind. Bei der vorzu­neh­menden Wertung sind sämt­liche Umstände der Tat und des Täters in die Bewer­tung mit einzu­be­ziehen. Als nied­rige Beweg­gründe wurden beispiels­weise Rassen­hass, Auslän­der­feind­lich­keit oder Rach­sucht ange­nommen.

Die Mord­merk­male der zweiten Gruppe umfassen die tatbe­zo­genen, also objek­tiven Mord­merk­male. Zu diesen zählen:

Das Mord­merkmal der Heim­tücke. Heim­tü­ckisch handelt derje­nige, der die Arg- und Wehr­lo­sig­keit des Opfers in feind­li­cher Willens­rich­tung ausnutzt, also jemanden angreift, der keinen Angriff erwarten konnte und deshalb außer­stande war sich zu vertei­digen.

Das Mord­merkmal der Grau­sam­keit. Grausam tötet, wer dem Opfer beson­dere Schmerzen oder Qualen körper­li­cher oder seeli­scher Art aus gefühl­loser Gesin­nung zufügt.

Die Tötung mit gemein­ge­fähr­li­chen Mitteln, also mit solchen Mitteln, die der Täter in der konkreten Tatsi­tua­tion nicht mehr kontrol­lieren kann und die dazu geeignet sind eine große Anzahl an Menschen an Leib oder Leben zu gefährden (z. B. Einsatz von Spreng­stoff oder Feuer als Tötungs­mittel).

Weitere täter­be­zo­gene Mord­merk­male sind solche der dritten Gruppe, mithin eine Tötung in Ermög­li­chungs­ab­sicht oder Verde­ckungs­ab­sicht. Diese Mord­merk­male beschrieben den beson­ders verwerf­li­chen Zweck, den der Täter mit der Tat verfolgt. Der Täter muss sich vorstellen, dass er eine andere Straftat durch den Mord verde­cken bzw. ermög­li­chen kann. Dem Täter muss es dabei auf die Ermög­li­chung oder Verde­ckung einer anderen, nicht zwin­gend eigenen Tat, ankommen.

Reformvorschläge aus 2016 – nicht mehr aktuell?

Wer mindes­tens eines der Mord­merk­male erfüllt, wird als Mörder gem. § 211 StGB mit einer lebens­langen Frei­heits­strafe bestraft.

Unge­achtet der im deut­schen Straf­recht bestehenden Möglich­keit, eine lebens­lange Frei­heits­strafe gem. § 57a StGB nach 15 Jahren zur Bewäh­rung auszu­setzen, bedeutet „lebens­lange Frei­heits­strafe“, dass zwin­gend eine lebens­lange Frei­heits­strafe zu verhängen ist. Dieses zwin­gend vorge­ge­bene, nicht variable Strafmaß stellt einen der Kern­punkte der disku­tierten Reform dar.

Nach den internen Reform­vor­schlägen des BMJ sollte der in § 212 StGB veran­kerte Totschlag das Grund­de­likt darstellen und § 211 StGB eine Erfolgs­qua­li­fi­ka­tion, um so im Einzel­fall ein varia­bleres Strafmaß zu ermög­li­chen.

Der Entwurf des Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­riums aus dem Jahr 2016 sah es außerdem vor, die Mord­merk­male neu zu struk­tu­rieren.

Vor allem das Mord­merk­male der Heim­tücke sollte eine deut­liche Verän­de­rung erfahren. Grund hierfür waren insbe­son­dere die sog. Haus­ty­rannen-Fälle, in denen eine Ehefrau, welche von ihrem Ehemann geschlagen und gepei­nigt wird, diesen im Schlaf umbringt, weil sie keinen andere Möglich­keit sieht, um sich (und ihre Kinder) zu schützen. Auch in diesen Fällen ist in aller Regel das Mord­merkmal der Heim­tücke erfüllt, weshalb die tötende Ehefrau nach aktu­eller Rechts­lage zu einer lebens­langen Frei­heits­strafe zu verur­teilen ist. Der Reform­ent­wurf sah für diese Art von Fällen ein Strafmaß von nicht unter fünf Jahren vor.

Die internen Reform­vor­schläge aus dem Jahr 2016 scheinen derzeit nicht mehr weiter­ver­folgt zu werden.

Im November 2023 hat Bundes­jus­tiz­mi­nister Marco Busch­mann nunmehr ledig­lich eine sprach­liche Über­ar­bei­tung der Tötungs­de­likte ange­kün­digt. Die Verwen­dung der derzei­tigen Formu­lie­rungen sei mit dem modernen Straf­recht nicht mehr vereinbar.

Der Hinter­grund liegt darin, dass die Tötungs­de­likte aus dem Jahr 1941 stammen und nach Täter­mo­dellen unter­scheiden, so spre­chen die rele­vanten Para­gra­phen des Straf­ge­setz­bu­ches von Mördern und Totschlä­gern. Laut des Reform­ent­wurfes basiert die Wort­wahl auf der zur NS-Zeit popu­lären Täter­lehre. Die Formu­lie­rungen der Tötungs­de­likte sind auf den Staats­se­kretär im preu­ßi­schen Justiz­mi­nis­te­rium und späteren NS-Scharf­richter Roland Freisler zurück­zu­führen.

Der Deut­sche Anwalts­verein (DAV) hat bereits darauf hinge­wiesen, dass eine rein sprach­liche Über­ar­bei­tung nicht ausrei­chen kann.

Sollten Sie, Bekannte oder Verwandte von Ihnen wegen Tötungs­de­likte ange­klagt sein oder sich einem dies­be­züg­li­chen Ermitt­lungs­ver­fahren ausge­setzt sehen, ist es überaus wichtig sich von einem fach­lich versierten Straf­ver­tei­diger beraten und vertreten zu lassen.

Die Kanzlei MPP Rechts­an­wälte bietet Ihnen die best­mög­liche Unter­stüt­zung. Die Rechts­an­wälte der Kanzlei Mügge, Dr. Pitschel und Partner können Sie durch jahre­lange Exper­tise und erfolg­reich abge­schlos­senen Verfahren umfas­send und indi­vi­duell beraten.

Sollten Sie weitere Fragen haben oder Beschul­digter in einem Straf­ver­fahren sein, so kontak­tieren Sie uns gerne.

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