Was passiert mit straffälligen Beamten - Strafrecht MPP

Machtmissbrauch an der Uni Göttingen – was passiert mit straffälligen Beamten?

Die Georg-August-Univer­sität Göttingen hatte in den letzten Jahren trau­ri­ger­weise mehr­mals mit Vorfällen zu tun, in denen Lehr­be­auf­tragte ihre Macht­stel­lung gegen­über Studen­tinnen in ekla­tanter Weise ausnutzten.

So wurden einem Professor für Forst­wis­sen­schaft und Wald­öko­logie uner­wünschte Berüh­rungen, sexis­ti­sche Bemer­kungen und über­mä­ßiger Alko­hol­konsum in 44 Fällen vorge­worfen. Das Göttinger Verwal­tungs­ge­richt konnte Dienst­ver­gehen und sexu­elle Beläs­ti­gung in mehreren Fällen fest­stellen (VG Göttingen v. 11.10.2023, Az. 5 A 2/18).

Ein früherer Lehr­be­auf­tragter des Fach­be­rei­ches Biologie soll im Mai 2018 eine Studentin bei einem Forschungs­pro­jekt im Wald sexuell beläs­tigt haben, indem er in ihrem Beisein „zu Forschungs­zwe­cken“ onaniert und auf eine Fleisch­probe ejaku­liert habe. Hierbei soll er ihr das Gesäß geknetet und über den Rücken gestrei­chelt haben. Der Mann wurde durch das Land­ge­richt Göttingen zu einer Bewäh­rungs­strafe von sechs Monaten verur­teilt.

Ein weiterer Professor der Forst­wis­sen­schaften musste sich im Jahr 2022 zum ersten Mal vor dem Göttinger Land­ge­richt verant­worten.

Der inzwi­schen verur­teilte Hoch­schul­lehrer wandte über einen langen Zeit­raum gegen­über mehreren Mitar­bei­te­rinnen körper­liche Gewalt an – beson­ders betroffen war eine Dokto­randin, die für ihre Disser­ta­tion nach Deutsch­land gekommen war. Zwischen 2014 und 2016 bestellte der Professor sie regel­mäßig in sein Büro, schloss die Tür von innen ab und schlug seine Mitar­bei­terin mit einem etwa 60 cm langen Bambus­stock auf das (manchmal unbe­klei­dete) Gesäß, die Waden und die Brust.

Offenbar betrach­tete er die körper­li­chen Miss­hand­lungen als eine Art „Bestra­fungs­ri­tual“ – eine Maßnahme, die sich anhört, als käme sie aus dem letzten Jahr­hun­dert. Die betrof­fene Dokto­randin ließ die Gewalt und die Demü­ti­gungen über sich ergehen, weil ihr Arbeit­geber ankün­digte, die Betreuung ihrer Disser­ta­tion andern­falls zu beenden. Bei zwei Vorfällen gab er ihr gegen­über an, sie „für einen künf­tigen Job vorbe­reiten“ zu wollen. Die Promo­ti­ons­stu­dentin fürch­tete daraufhin um ihre beruf­liche und finan­zi­elle Zukunft.

Im Prozess wollte die Vertei­di­gung den Eindruck erwe­cken, die Geschä­digte habe Schläge als Bestra­fungs­ri­tuale aus ihrer Heimat Vietnam kennen müssen; eine Stra­tegie, die wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer rassis­tisch und sexis­tisch anmu­tenden Grund­lage nicht aufging – das Gericht lehnte die entspre­chenden Beweis­an­träge der Vertei­di­gung ab.

Das Land­ge­richt Göttingen (Urt. v. 30.03.2022, 1 KLs 11/19) verur­teilte den Ange­klagten zu einer Bewäh­rungs­strafe von elf Monaten.

Nach erfolg­rei­cher Revi­sion durch Staats­an­walt­schaft und Neben­klage lautet das Urteil nun auf 18 Monate Frei­heits­strafe auf Bewäh­rung wegen gefähr­li­cher Körper­ver­let­zung im Amt (§ 340 Abs. 1, 3 i. V. m. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB), Nöti­gung (§ 240 StGB) und Frei­heits­be­rau­bung (§ 239 StGB). Zusätz­lich muss der Professor einen Geld­be­trag an das Frau­en­haus Göttingen sowie an die Dokto­randin und weitere betrof­fene Frauen zahlen.

Bereits anhand der erhöhten Straf­an­dro­hung in § 340 StGB wird deut­lich, dass Beamte im Straf­recht eine Sonder­stel­lung einnehmen. Im Drei­ßigsten Abschnitt des StGB (§§ 331 bis 358) sind die Beson­der­heiten für Amts­träger ausführ­lich gere­gelt.

Doch was droht den Tätern neben den straf­recht­li­chen Konse­quenzen im Hinblick auf ihren Beam­ten­status?

Die Anfor­de­rungen an einen tatsäch­li­chen Ausschluss aus dem Beam­ten­ver­hältnis sind hoch: Ein Blick in § 24 des Beam­ten­sta­tus­ge­setzes (BeamtStG) verrät, dass Beamte ihren Beam­ten­status erst verlieren, wenn sie rechts­kräftig wegen einer vorsätz­li­chen Tat zu einer Frei­heits­strafe von mindes­tens einem Jahr oder wegen bestimmter Staats­schutz­de­likte bzw. Bestech­lich­keit zu mindes­tens sechs Monaten Frei­heits­strafe verur­teilt worden sind.

Die entspre­chenden Folgen regeln §§ 33 ff. des Nieder­säch­si­schen Beam­ten­ge­setzes (NBG).

Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 NBG besteht seitens des früheren Beamten kein Anspruch auf Leis­tungen des Dienst­herrn. Damit gehen nicht nur die Dienst­be­züge, sondern auch alle Versor­gungs­an­sprüche einschließ­lich der Hinter­blie­be­nen­ver­sor­gung verloren. Die Betrof­fenen haben also keine Pensi­ons­an­sprüche mehr und werden gesetz­lich nach­ver­si­chert (§ 8 II 1 Nr. 1 des Sechsten Sozi­al­ge­setz­buchs). Sollte das Urteil des LG Göttingen rechts­kräftig werden, müsste sich der zuletzt verur­teilte Professor auf solche Folgen einstellen.

Mildere Konse­quenzen trafen die beiden anderen Täter. Der Professor für Biologe wurde ledig­lich zu sechs Monaten auf Bewäh­rung verur­teilt und darf deshalb weiterhin an der Univer­sität tätig sein. Das Urteil ist noch nicht rechts­kräftig.

Der Professor für Forst­wis­sen­schaft und Wald­öko­logie, der sich vor dem Verwal­tungs­ge­richt verant­worten musste, kam sogar noch glimpf­li­cher davon. In der Besol­dung fällt er um zwei Stufen herab und verdient seitdem 2.000 Euro weniger im Monat, sein Beam­ten­status bleibt damit eben­falls unan­ge­tastet – ein Urteil, dass laut der Pres­se­stelle von der Univer­sität Göttingen „mit großer Über­ra­schung“ zur Kenntnis genommen worden sei.

Ähnliche Beiträge