Mord oder Totschlag: Revolver und Patronen liegen auf dem Boden

Mord oder Totschlag? – Wann tötet jemand heimtückisch?

Es gibt wohl kaum einen Mythos, der sich hart­nä­ckiger hält als das Krite­rium zur Abgren­zung zwischen Totschlag und Mord: So nehmen viele an, Mord sei geplant und Totschlag geschehe im Affekt, wodurch sich die beiden Straf­taten vonein­ander unter­scheiden würden.

Tatsäch­lich muss weder ein Mord vorher geplant werden noch setzt eine Straf­bar­keit wegen Totschlags eine Affekt­hand­lung voraus. Für die Verwirk­li­chung beider Tatbe­stände bedarf es glei­cher­maßen eines einfa­chen Vorsatzes.

Was einen Totschlag zum Mord macht, ist das Vorliegen eines der im Gesetz fest­ge­legten sog. Mord­merk­male. So heißt es in § 211 Abs. 2 StGB: „Mörder ist, wer aus Mord­lust, zur Befrie­di­gung des Geschlechts­triebs, aus Habgier oder sonst aus nied­rigen Beweg­gründen, heim­tü­ckisch oder grausam oder mit gemein­ge­fähr­li­chen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermög­li­chen oder zu verde­cken einen Menschen tötet.“

Insbe­son­dere die Frage nach dem Vorliegen des Mord­merk­mals der Heim­tücke beschäf­tigt die Gerichte viel­fach.

Nach herr­schender Recht­spre­chung handelt heim­tü­ckisch, wer die Arg- und Wehr­lo­sig­keit des Opfers bewusst und in feind­li­cher Willens­rich­tung ausnutzt. Arglos ist, wer sich zum Zeit­punkt der Tat keines Angriffs versieht. Das Opfer ist wehrlos, wenn es infolge der Arglo­sig­keit in seinen Vertei­di­gungs­mög­lich­keiten so einge­schränkt ist, dass es den Angriff nicht abwehren oder erschweren kann.

Unge­achtet der fest­ste­henden Defi­ni­tionen der erfor­der­li­chen Voraus­set­zungen eines Mordes aus Heim­tücke, ist deren Vorliegen im Einzel­fall durchaus schwierig fest­stellbar, sodass sich der Bundes­ge­richtshof auch kürz­lich wieder mit dieser Frage­stel­lung ausein­an­der­setzen musste.

Das Land­ge­richt Köln hatte im vergan­genen Jahr einen Mann wegen Totschlags zum Nach­teil seiner außer­ehe­li­chen Part­nerin verur­teilt (LG Köln, Urt. v. 17.03.2022, Az. 104 Ks 23/21).

Der Ange­klagte fuhr im Jahr 2020 mit dieser in deren PKW zu einem abge­schie­denen Ort. Während die Frau auf dem Beifah­rer­sitz des stehenden Fahr­zeugs saß, schoss ihr der Ange­klagte, der sich zu diesem Zeit­punkt entweder außer­halb des Fahr­zeugs an der Beifah­rer­seite oder hinter dem Beifah­rer­sitz auf der Rück­bank befand, aus kürzester Distanz zweimal in den Kopf.

Das LG Köln sah das Mord­merkmal der Heim­tücke in diesem Fall nicht als erfüllt an.

Nach Auffas­sung des LG konnte nicht mit Sicher­heit fest­ge­stellt werden, dass die Frau im Moment der ersten Schuss­ab­gabe tatsäch­lich nichts von dem bevor­ste­henden Angriff ahnte – es sei denkbar, dass der Ange­klagte sie zuvor mit der Schuss­waffe bedrohte. Hieraus schlossen die Richter, dass es an der Arglo­sig­keit gefehlt habe.

Anders sah das hingegen der BGH (Urt. v. 24.05.2023, Az. 2 StR 320/22): Das LG habe für den Zeit­punkt des Angriffs fälsch­li­cher­weise nur auf den Moment des ersten Schusses abge­stellt. Entschei­dend sei inso­fern die Frage, wann in einem zeit­lich gestreckten, mehr­tei­ligen Gesche­hens­ab­lauf, der Angriff beginnt.

Ein Angriff beginne jedoch nach Ausfüh­rung des BGH „nicht erst mit der eigent­li­chen Tötungs­hand­lung […], sondern umfasst auch die unmit­telbar davor liegende Phase.“

Die Arglo­sig­keit der Frau allein aufgrund der Möglich­keit einer vorhe­rigen Bedro­hungs­si­tua­tion abzu­lehnen, stelle sich als rechts­feh­ler­haft dar.

Ein heim­tü­cki­sches Vorgehen [könne] zudem auch in Vorkeh­rungen liegen, die der Täter ergreift, um eine güns­tige Gele­gen­heit zur Tötung zu schaffen, sofern diese bei der Tat noch fort­wirken. […] Ob das Opfer zu Beginn des Tötungs­an­griffs noch arglos war, ist in dieser Sach­ver­halts­kon­stel­la­tion ohne Bedeu­tung.“

In diesem Fall besorgte sich der Ange­klagte die Tatwaffe unmit­telbar vor der Fahrt zum späteren Tatort.

Das LG habe sich nicht mit der Frage ausein­an­der­ge­setzt, ob die später Getö­tete „bei einer gege­be­nen­falls noch vor Schuss­ab­gabe erfolgten Bedro­hung mit der Schuss­waffe über­haupt eine Möglich­keit zur Flucht oder Vertei­di­gung hatte […]“.

Es könnte also durchaus sein, dass der Ange­klagte die Frau noch im Vorbe­rei­tungs­sta­dium unter Ausnut­zung von deren Arglo­sig­keit durch eine Bedro­hung in eine wehr­lose Lage brachte, die er bis zur ersten Schuss­ab­gabe aufrecht­erhielt. Dann käme eine heim­tü­cki­sche Tötung, und damit ein Mord, in Betracht.

Eine andere Straf­kammer des LG Köln wird sich nunmehr näher mit den Einzel­heiten des Tather­gangs befassen müssen – man darf gespannt sein, zu welchem Schluss die Richter kommen werden. 

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