Rassistische Parolen auf Sylt – Strafbarer Rassismus?
Ein Video, das sich in der letzten Woche auf nahezu jeder Social-Media-Plattform und jedem Nachrichtenmedium wiederfand und das bundesweit für Erschütterung sorgte: Auf einer verwackelten Smartphone-Aufnahme sind Menschen zu sehen, die im Sylter Club „Pony“ zum Party-Lied „L’amour Toujours“ tanzen und dabei gemeinsam ungeniert rassistische Parolen auf Sylt von sich geben, die man eigentlich nur von äußerlich klar erkennbaren Neo-Nazis vermuten würde.
Umso bizarrer mutet es an, als ein junger Mann, der mit weißem Hemd und um die Schultern gebundenem Pullover mit den Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart sowie einen Hitlergruß andeutet, von der Kamera eingefangen wird.
Um die gefilmten Menschen im Video zur Verantwortung zu ziehen, ergriffen einige Leute in den sozialen Medien selbst die Initiative, indem sie die Identität der auf dem Video singenden Menschen recherchierten und veröffentlichten.
Doch was könnte in dem Video – unabhängig von einer moralischen Verwerflichkeit – strafrechtlich relevant sein?
Ein Tatbestand, der sich in diesem Zusammenhang (zumindest für Juristen) unmittelbar aufdrängen dürfte, ist die Volksverhetzung nach § 130 StGB.
Gem. § 130 Abs. 1 StGB wird unter anderem mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe böswillig verächtlich macht oder verleumdet.
Die Parole „Ausländer raus“ war bereits im Jahr 2001 Gegenstand eines Verfahrens in Brandenburg, in dem das Oberlandesgericht das Vorliegen einer Volksverhetzung bejahte. Entscheidend für die Annahme einer Strafbarkeit nach § 130 StGB ist, dass die Tatbestandsverwirklichung keiner Planung oder Beabsichtigung einer unmittelbaren Gewaltaktion bedarf. Es genügt also, dass in dem Satz „Ausländer raus“ eine entsprechende abstrakte Aufforderung steckt, auch wenn diese nicht konkretisiert wurde.
Die gleiche rechtliche Bewertung dürfte für die Parole „Deutschland den Deutschen“ gelten, die zusätzlich zur Aussage „Ausländer raus“ eine explizite nationalsozialistische Konnotation hat.
Auch für das Zeigen des Hitlergrußes und des Hitlerbarts dürfte aus demselben Grund eine Verwirklichung des § 130 Abs.1 StGB in Betracht kommen. Zusätzlich könnte man hier an § 130 Abs. 3 StGB denken, welcher speziell die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von Handlungen sanktioniert, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangen wurden.
Zu beachten ist im Rahmen der strafrechtlichen Analyse stets die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach dessen Auffassung ähnliche Aussagen unter bestimmten Umständen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien können. Es kommt für die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Menschenwürde (Art. 1 GG) bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf den konkreten Kontext an, in dem die Aussagen getätigt wurden.
Hierbei spielt insbesondere eine Rolle, ob derartige Äußerungen im privaten oder öffentlichen Rahmen getätigt wurden. Im vorliegenden Fall könnte der Umstand einer privaten Party wohl den Eindruck erwecken, die Aussagen seien harmloserer Natur, als wenn sie z. B. in formellen Kontexten geäußert worden wären. Allerdings ist die Feier vor allem durch das Posten auf den sozialen Medien wohl öffentlicher denn je geworden – angesichts der Tatsache, dass die singenden Personen bewusst in die Kamera schauten, schien ihnen dies auch bewusst zu sein.
Das Video erscheint damit fast als eine öffentliche rassistische Provokation und es spricht viel dafür, dass es geeignet ist, den öffentlichen Frieden i. S. v. § 130 StGB zu stören.
Für das Imitieren des Hitlergrußes und das Zeigen des Hitlerbarts kommt darüber hinaus eine Strafbarkeit wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen gem. § 86 StGB in Betracht.
Hiernach wird unter anderem mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer Propagandamittel einer verfassungswidrigen Partei oder deren Ersatzorganisation, einer verfassungswidrigen verbotenen Vereinigung oder Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebung einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, verwendet.
Was den im Video zu sehenden Personen nun tatsächlich abseits von persönlichen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen aus strafrechtlicher Sicht blüht, wird die Zukunft zeigen. Da momentan zumindest ein Anfangsverdacht besteht, wird die Staatsanwaltschaft in jedem Falle ermitteln und am Ende des Ermittlungsverfahrens ggf. Anklage erheben.
Sollten Sie weitere Fragen haben oder Beschuldigter in einem Strafverfahren sein, so kontaktieren Sie uns gerne.