Sinn und Zweck eines Wideraufnahmeverfahrens ist es Justizirrtümer zu vermeiden bzw. zu korrigieren. Die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmeverfahrens sind sehr eng, weshalb die Durchführung mit erheblichem Aufwand und Präzision verbunden ist und dadurch auch zu der „Königsdisziplin“ des Strafrechts zählt.

Grundsätzlich ist der Strafprozess mit der Rechtskraft des Urteils endgültig abgeschlossen. Sobald ein Urteil rechtskräftig ist, kann es durch die gängigen Rechtsmittel (Berufung und Revision) nicht mehr angegriffen werden.

Hintergrund dieser Regel ist der Wunsch nach Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Alle Beteiligten des Prozesses, insbesondere der Verurteilte und geschädigte Personen sollen irgendwann sicher sein können, dass das Verfahren in der Zukunft nicht noch einmal wieder aufgerollt wird und sie sich auf die Beständigkeit des Urteils mit all seinen Folgen verlassen können.

Eine solche Regelung birgt natürlich auch die Gefahr, dass fehlerhafte Urteile unkorrigiert bestehen bleiben (sog. „Justizirrtümer“).

Gründe für eine Wiederaufnahmeverfahren eng umgrenzt

Um solche materiellen Ungerechtigkeiten im Sinne eines funktionierenden Rechtsstaats zu vermeiden bzw. aus der Welt zu schaffen, gibt es in sehr eng umgrenzten Fällen die Möglichkeit einer Wiederaufnahme (§§ 359 ff. StPO). Wenn alle übrigen Rechtsmittel ausgeschöpft sind, stellt dies die einzige verbliebene Möglichkeit dar, die Rechtskraft des Urteils ausnahmsweise durch die Wiederholung des Strafverfahrens zu durchbrechen.

Die sog. „Wiederaufnahmegründe“ sind in § 359 Nr. 1-6 StPO geregelt, wobei § 359 Nr. 5 StPO regelmäßig die größte Rolle spielt:

  • Nr. 1: Vorbringen einer unechten oder verfälschten Urkunde in der Hauptverhandlung,
  • Nr. 2: Verletzung der Eidespflicht oder vorsätzliche Falschaussage eines Zeugen oder Sachverständigen,
  • Nr. 3: Strafbare Verletzung einer Amtspflicht durch einen am Urteil beteiligten Richter oder Schöffen,
  • Nr. 4: Aufhebung eines dem Strafurteil zugrundeliegenden zivilgerichtlichen Urteils durch ein anderes rechtskräftiges Urteil,
  • Nr. 5: Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet sind, einen Freispruch, ein geringeres Strafmaß oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel zu begründen,
  • Nr. 6: Feststellung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. ihrer Protokolle durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), auf der das Urteil basiert.

Der Ablauf im Wiederaufnahmeverfahren

Das Wiederaufnahmeverfahren gliedert sich in zwei Abschnitte (Additions- und Probationsverfahren), in denen zunächst die Zulässigkeit und dann die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags durch das Gericht geprüft werden.

Ist ein Wiederaufnahmegesuch erfolgreich, so wird die Rechtskraft des Urteils durchbrochen und die Strafe nicht vollstreckt. Falls bereits eine Vollstreckung stattgefunden hat, bestehen für die verurteilte Person Schadensersatzansprüche zum Zwecke der Rehabilitation und Entschädigung.

In Deutschland hat nur ein äußerst geringer Prozentsatz aller Wiederaufnahmeverfahren Erfolg. Dies liegt zum einen an den immens hohen gesetzlichen Anforderungen, zum anderen aber auch an einer äußerst strengen Praxis der Justiz.

Unabhängig von dem gem. § 366 II StPO bestehenden Anwaltszwang ist es deshalb unabdingbar, den zugrundliegenden Sachverhalt, alle bisher im Prozess ergangenen Entscheidungen sowie das mögliche Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes in aller Gründlichkeit individuell durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen.

Sollten Sie zu Unrecht verurteilt worden sein, so beurteilen wir auf Grundlage einer sorgfältigen Analyse aller Gesichtspunkte die realistischen Erfolgschancen eines Antrags auf Wiederaufnahme. Sofern wir einen solchen Antrag in Ihrem Einvernehmen stellen, begleiten wir Sie mit unserer Expertise vollumfänglich im gesamten weiteren Wiederaufnahmeverfahren.