Clan-Kriminalität und organisiertes Verbrechen: Extremer Verfolgungseifer bei den Ermittlungsbehörden?
Die Serien „4 Blocks”, „Dogs of Berlin” oder „Skylines”, erfreuen sich eines breiten Publikums. Fast jeder kennt die Serien, die ihre Zuschauer mit der „ungeschönten“ Darstellung des Lebens der Mitglieder eines Clans und deren struktureller und familiärer Beziehungen begeistern. Doch sind es nur fiktive Serien oder bilden sie wirklich die Realität in Deutschland ab?
Die sog. Clan-Kriminalität erweckt immer mehr Aufmerksamkeit in der breiten Gesellschaft. Eine Ursache dessen ist die starke mediale Präsenz dieser Thematik sowie das Öffentlichkeitsinteresse und damit auch der Druck auf die Strafverfolgungsbehörden.
So hat der Begriff der Clan-Kriminalität in den vergangenen Jahren zunehmenden Eingang in die Alltagssprache gefunden, wobei der Begriff nicht selten reißerisch und als Aufmacher für eine mediale Berichterstattung verwandt wird.
Es ist festzustellen, dass in der Vergangenheit immer mehr Straftaten im Bereich der Organisierten Kriminalität durch Mitglieder eines Clans verübt worden sein sollen. In Nordrhein-Westfalen soll etwa jedes fünfte Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität einen Clan- Bezug aufweisen. Deshalb werden in diesen Bereichen bereits standardisierte Razzien sowie Personen- und Gewerbekontrollen durchgeführt.
Viele Beschuldigte, welche Mitglied eines Clans sein sollen, werden dabei mit Ermittlungsmaßnahmen konfrontiert, die die Frage nach deren Rechtmäßigkeit aufwerfen.
Clan-Kriminalität – Existiert sie überhaupt in Deutschland?
Als sog. „Clan-Kriminalität“ wird eine Form der organisierten Kriminalität bezeichnet.
Mit dem Begriff des „Clans“ wird eine Gruppe von Personen beschrieben, die durch eine gemeinsame ethnische Herkunft, meist durch verwandtschaftliche Beziehungen, verbunden ist. Eine reine (bluts-)Verwandtschaft der Mitglieder der Gruppe wird nicht zwangsläufig vorausgesetzt, sondern es werden auch andere spezifische Zugehörigkeitsvoraussetzungen anerkannt, beispielsweise soziale Verpflichtungen oder ein wirtschaftlicher Nutzen. Laut den Ermittlungsbehörden zeichnet sich die Clan-Kriminalität dadurch aus, dass ein Clan als soziale Einheit und geprägt durch die verwandtschaftliche Beziehung Straftaten fördert, die Aufklärung solcher verhindert und damit die in Deutschland geltende Rechtsordnung infrage stellt.
Bei den als Clans bezeichneten Gruppierungen in Deutschland handelt es sich meist um Großfamilien aus dem türkisch-arabischen Raum. Der Ursprung lag bei den Mhallamiye-Kurden. Sie stammen aus Teilen der Türkei, Syriens und dem Libanon und kamen im Laufe des libanesischen Bürgerkrieges (1975-1990) nach Westeuropa. Weitere bekannte Clans sind der Remmo-Clan, der Miri-Clan, der Al-Zein-Clan, der Abou-Chaker Clan sowie die „Rocker-Clans“ Bandidos und Hells-Angels. Ihr Vorkommen konzentriert sich vor allem auf die Bundesländer, Berlin, NRW, Bremen und Niedersachsen.
Die legalen Bereiche, in denen Clan-Kriminalität vertreten ist, sind die Gastronomie – vor allem (Shisha)- Bars, das Glücksspiel und Wettbüros, der Autohandel, Kampfsportclubs, Security-Dienstleistungen, das Prostitutionsgewerbe und die Rocker-Szene. Klassischerweise werden hierbei Delikte im Bereich des Rauschgifthandels und Schmuggel, der Körperverletzung, des Eigentums (Raub, Diebstahl, Geldwäsche und Betrug) verfolgt. Häufig werden den vermeintlichen Clanmitgliedern auch Straftaten gegen die persönliche Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung sowie Steuer- und Zolldelikte vorgeworfen.
Bedrohung für die innere Sicherheit oder populistische Übertreibung?
Nach Auffassung der Ermittlungsbehörden kennzeichnet sich das Verhalten der Clans dadurch, dass sie staatliche Strukturen nicht anerkennen, weitestgehend abgeschottet leben (nahezu parallelgesellschaftlich), hierarchisch strukturiert sind, ein besonders ausgeprägtes Ehrgefühl haben und von einem erhöhten Macht- und Gewinnstreben beeinflusst sind.
Sie sollen meist offensiv, vereint und aggressiv nach außen auftreten und ihre Ziele und Vorhaben gewaltsam durchsetzen. Als Stärke des Clans wird der innere Zusammenhalt sowie die Abgrenzung nach außen ausgemacht. Die Mitglieder des Clans sollen loyal zueinander sein, sich gegenseitig Alibis geben und auch dann Solidarität miteinander, wenn sie bereits bestraft/verurteilt wurden.
Die Strafverfolgungsbehörden sind der Ansicht, die Clan-Kriminalität in Deutschland bringe einige Risiken mit sich. Vor allem treffe sie das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Besonders der Teil der Bevölkerung, der in dem durch den Clan „beanspruchten“ Gebiet lebt, fühle sich oft unsicher und eingeschüchtert. Hinzu komme eine mögliche Gefahr für die innere Sicherheit, da die Clans, die in Deutschland herrschenden Grundrechte und die Werteordnung nicht akzeptieren würden. Mithin sei es Aufgabe des Staates und seiner Institutionen diese Gefahr abzuwehren. Ein Problem sei jedoch, dass die Ermittlungen der Behörden durch die Abschottung der Clans, den gegenseitigen Schutz ihrer Mitglieder untereinander und das Einschüchtern von etwaigen Zeugen nur erschwert möglich seien, weshalb eine vollständige Tataufklärung nur in seltenen Fällen erfolgreich sei.
Ein weiteres Risiko stelle die Vernetzung der Clans untereinander, insbesondere auch staatsübergreifend, dar. Daraus resultiere ein hohes Mobilisierungs- und Solidarisierungspotenzial, welches die Ermittlungsarbeit nicht gerade positiv beeinflusse. Zudem sei nach wie vor noch zu wenig über die interne Struktur und das Ausmaß der Kriminalität des Clans bekannt.
Was einerseits zu einer starken Überschätzung und damit einhergehenden Stigmatisierung der Angehörigen ausländischer Familien, die unabhängig von der Zugehörigkeit eines Clans, Straftaten begehen, führe und andererseits eine Unterschätzung des Umfangs der durch den Clan begangenen Straftaten bedeuten könne.
Aktuell ist jedoch von einer starken populistischen Überhöhung der Thematik auszugehen.
Laut der Berichterstattung in den Medien wird der Eindruck erweckt, es würde jede zweite Straftat durch ein Mitglied eines Clans begangen. Tatsächlich ist es so, dass die Fälle der Clan-Kriminalität immer noch einen sehr kleinen Teil der gesamten Kriminalität in Deutschland ausmachen. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel liegt der Anteil der als Clan-Kriminalität kategorisierten Straftaten bei 0,48 % aller registrierter Straftaten. Mithin besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen der tatsächlich vorliegenden Kriminalität der Clans und der behaupteten Bedrohung durch die Clans. Zudem erfolgt die Berichterstattung in den Medien auch in einem viel größeren Umfang als bei „gewöhnlichen Straftaten“, da teilweise im Bereich der Clan-Kriminalität spektakuläre Taten bzw. in einem größeren Umfang/Stil verübt werden. Dadurch entsteht der Eindruck diese Art der Kriminalität würde den Regelfall darstellen.
Höhere Strafandrohung aufgrund der Clan-Zugehörigkeit?
Die Strafverfolgungsbehörden beklagen, dass sie nicht mit der Effektivität gegen die Clan-Kriminalität vorgehen können, wie es nach ihrer Auffassung erforderlich wäre. Teilweise wird aufgrund der Unübersichtlichkeit der Struktur des Clans bei der Begehung von Straftaten durch ein Mitglied eines Clans, daher ein Strafzuschlag (höhere Strafandrohung als für ein Delikt gesetzlich vorgesehen), allein aufgrund der Clan-Zugehörigkeit verlangt, was vor allem der Abschreckung dienen soll. Doch kann dies rechtmäßig sein?
Grundsätzlich kennt das Strafrecht weder den Begriff des Clans als solchen noch eine besondere Strafbarkeit aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Clan. Strafbar wäre die Mitgliedschaft zu einer bestimmten Gruppe nur, wenn die Vereinigung zu einer bestimmten Gruppe speziell auf die Begehung von Straftaten gerichtet wäre. In diesem Fall würde auch die Möglichkeit bestehen (wenn der Clan auch einen Verein darstellt (Art.9 Abs.1 GG)) den Verein zu verbieten. Gem. Art. 9 Abs.2 GG sind Vereine zu verbieten, wenn sie die Strafgesetze nicht beachten oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Die Straftat als solche ist jedoch allein dem einzelnen Beschuldigten und ggf. den weiteren Beteiligten nachzuweisen. Der Clan ist ohne strafrechtliches Verhalten der einzelnen Mitglieder nicht kriminell. Etwas anderes würde auch den Grundsätzen des §§ 25 ff. StGB widersprechen.
Darüber würde die Straferhöhung allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Clan das Risiko einer Stigmatisierung von Personen mit Migrationshintergrund bzw. derjenigen Personen, die einer großen Familie mit Migrationshintergrund angehören oder eben in Verbindung zu einem „Clan“ stehen, stark erhöhen. Eine höhere Strafandrohung würde in diesem Fall auch einen Verstoß gegen Art.3 GG darstellen. Demnach ist eine Diskriminierung aufgrund der Abstammung verboten.
Damit einher geht das bereits bestehende Problem der unterschiedlichen Maßstäbe bei der Strafverfolgung vermeintlicher Clan-Kriminalität und der „normalen“ Straftaten. Es ist festzustellen, dass zum Beispiel bei Durchsuchungen, aber auch bei reinen Routinekontrollen, bei denen ein vermeintliches Clan-Mitglied involviert ist, eine gründlichere, intensivere und „rauere“ Vorgehensweis durch die Beamten erfolgt als bei anderen Personen der Fall ist. Dieses differenzierte Vorgehen entspricht dem Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht.
Es setzt sich ferner auch teilweise im Hauptverfahren fort, wenn es um die Möglichkeiten einer Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen oder die Begründung eines Haftbefehls geht.
Grundsätzlich ist den Ermittlungsbeamten sowie auch den Richtern und Staatsanwälten ein gewisses Maß an Objektivität und Unvoreingenommenheit abzuverlangen. In der Praxis dies jedoch nicht immer Anwendung.
Aufenthaltsentziehung und Vermögensabschöpfung als probate Ermittlungsmaßnahmen?
Diskutiert und angewandt werden die Aufenthaltsentziehung und die Vermögensabschöpfung der Mitglieder der Clans.
Das Ziel der Aufenthaltsentziehung seitens des Bundesinnenministeriums sei es eine Ausweisung Angehöriger von Gemeinschaften der Organisierten Kriminalität zu ermöglichen, unabhängig davon, ob sie straffällig wurden bzw. strafrechtlich verurteilt wurden. Ausreichend sei es beispielsweise, wenn ein Ausländer einem Verein angehört, der Geld an eine terroristische Gruppe gespendet hat. Ob ein solches Vorgehen rechtmäßig und verhältnismäßig ist, muss im Einzelnen erörtert werden.
Problematisch ist auch hier die Stigmatisierung der Thematik. Nicht betroffene Personen, die möglicherweise eine Beziehung oder einen Kontakt zu einer vermeintlichen kriminellen Organisation aufweisen, sollen abgeschoben werden. I
n der Praxis wird das Vorgehen auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden wenig Erfolg haben, da zum einen das Aufenthaltsgesetzt nicht für deutsche Staatsangehörige angewendet wird und weil die tatsächliche Identität der betroffenen Person nicht feststellbar ist.
Die Vermögensabschöpfung gem. §§ 73 ff. StGB ist eine bereits praktizierte Maßnahme gegen Angehörige eines Clans. Demnach wird das, was durch eine rechtswidrige Tat erlangt wird, eingezogen.
Hintergrund dessen ist der Gedanke, dass das Vermögen des Clans der zentrale Faktor und die treibende Kraft des Clans darstellt. Durch eine Einziehung des Vermögens sollen die Handlungsmöglichkeiten der vermeintlichen Täter und schließlich der gesamten kriminellen Organisation eingeschränkt werden. Die Ermittlungsbehörden sehen darin ein effektives Mittel, um nachhaltig gegen die Clans vorgehen zu können.
Problematisch sei hierbei jedoch ebenfalls die undurchsichtige Struktur des Clans, da nicht nachgewiesen werden könne, wem das Vermögen zusteht und ob es tatsächlich durch eine rechtswidrige Tat erlangt wurde. Teilweise komme es auch zu einer Vermischung des „legalen“ und des „illegalen“ Vermögens, wodurch ein Nachweis schwerlich möglich ist.
Strafverteidigung bei Clan-Kriminalität und Organisierter Kriminalität
Wenn Sie mit Vorwürfen von Straftaten aus der sogenannten Organisierten Kriminalität konfrontiert werden oder als Mitglied eines sogenannten Clans von den Ermittlungsbehörden bezeichnet werden, können wir Ihnen weiterhelfen.
Die Verfahren in diesen Bereichen erfordern einen großen personellen und technischen Ermittlungseinsatz. Damit einhergehend existiert ein größerer Umfang an Akten, mit denen wir uns auseinandersetzen, um dementsprechend verteidigen zu können.
Nicht zu unterschätzen sind außerdem die Auswirkungen der Öffentlichkeitswirksamkeit auf den Prozess. Wie bereits erwähnt, besteht ein sehr großes Interesse der Bevölkerung an der Thematik „Clan-Kriminalität“, aber auch organisierter Kriminalität im Allgemeinen. Dabei erwartet die Öffentlichkeit meistens eine Verurteilung der Angeklagten sowie eine harte Bestrafung. Diese Erwartungshaltung erhöht den Druck auf die Ermittlungsbehörden, wodurch das eigentliche Ziel des Prozesses- die Wahrheitsfindung- teilweise in Vergessenheit gerät. Unsere Aufgabe ist es dem entgegenzusteuern.
Ein gegenwärtiges Tool innerhalb der Verfahren ist die sogenannte Sockelverteidigung. Hierbei wird mehreren Beschuldigten die gemeinsame Begehung oder Beteiligung an Straftaten vorgeworfen. Wir als Verteidiger werden im Rahmen dessen mit den Verteidigern der anderen Beschuldigten zusammenarbeiten und eine gemeinsame Verteidigungsstrategie und Verteidigungstaktik entwickeln, um Ihnen das beste Ergebnis zu ermöglichen.
Besondere Bedeutung haben in solchen Verfahren auch sog. Kronzeugen. Darunter werden Personen aus dem Umfeld der vermeintlichen Täter verstanden, die vor Gericht Aussagen über die Wahrnehmung von Tatsachen, die mit der Tat in Zusammenhang stehen, machen sollen. Als Kronzeugen gelten jedoch auch etwaige Mitangeklagte. Diese Personen sind besonders wichtig für den Verlauf des Prozesses. Demnach besteht seitens der Justiz ein großes Bedürfnis nach einer Kompromissfindung mit den Kronzeugen. In vielen Fällen kommt es zu einer Strafmilderung oder sogar dem Absehen von einer Strafe kommen, wenn der Kronzeuge gegen den oder die Angeklagten aussagt. Sollten Sie die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen wollen, bereiten wir sie dementsprechend vor und begleiten Sie zu Vernehmungsterminen.
Sie stellen fest, es gibt Einiges zu beachten in diesen Verfahren. Unsere Anwälte sind jedoch damit vertraut und werden Sie bestmöglich unterstützen können.
Wir haben langjährige Erfahrung in der Strafverteidigung und verfügen über besondere Ermittlungstechniken, die uns einen Vorsprung vor dem Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft sichern können.
Sollten Sie weitere Fragen haben oder Beschuldigter in einem Strafverfahren sein, so kontaktieren Sie uns gerne.