Insolvenzverschleppung Strafe: Diese Strafe droht laut Insolvenzstrafrecht
Definition: Pflichtwidriges Unterlassen oder verspätetes Stellen eines Insolvenzantrags trotz eingetretener Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung).
Rechtliche Grundlage: § 15a Abs. 4 und 5 InsO als Hauptnorm im Insolvenzstrafrecht, betrifft primär Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.
Antragsfrist: Spätestens drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife, bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit einer Sanierung unverzüglich.
Strafmaß: Vorsätzlich bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe; fahrlässig bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Verjährung: 5 Jahre bei vorsätzlicher, 3 Jahre bei fahrlässiger Insolvenzverschleppung.
1. Definition der Insolvenzverschleppung
Insolvenzverschleppung bezeichnet das pflichtwidrige Unterlassen oder verspätete Stellen eines Insolvenzantrags durch den dazu verpflichteten Geschäftsführer, Vorstand oder anderen Vertretungsberechtigten eines Unternehmens, obwohl bereits Insolvenzreife eingetreten ist. Die Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind dabei rechtlich klar definiert und müssen vom Geschäftsführer erkannt werden.
Insolvenzreife liegt vor bei:
- Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Das Unternehmen kann seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen
- Überschuldung (§ 19 InsO): Die Verbindlichkeiten übersteigen das Vermögen, ohne dass eine positive Fortführungsprognose besteht
Die Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrags tritt ein, sobald einer dieser Zustände eingetreten ist. Nach § 15a InsO muss der Antrag ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife gestellt werden. (Die 3‑Wochen Frist zur Insolvenzantragstellung ist dabei als absolute Höchstfrist zu verstehen — bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit einer Sanierung muss der Antrag unverzüglich gestellt werden.)
Praxishinweis: Viele Geschäftsführer verkennen, dass bereits die Zahlungsunfähigkeit und nicht erst die komplette Überschuldung den Insolvenzantrag erforderlich macht. Auch vorübergehende Zahlungsstockungen können unter bestimmten Umständen bereits die Antragspflicht auslösen.
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2. Straftat: Rechtliche Grundlagen
Die Verschleppung der Insolvenz ist eine Straftat, die im Wirtschaftsstrafrecht eine bedeutende Rolle spielt. Im deutschen Strafrecht ist die Ahndung in mehreren Gesetzen verankert:
§ 15a Abs. 4 und 5 Insolvenzordnung (Hauptnorm)
§ 15a der Insolvenzordnung bildet den zentralen Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit und definiert zugleich in §§ 17–19 InsO die maßgeblichen Insolvenzgründe. Diese Vorschrift stellt das vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassen der rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags unter Strafe. Diese Vorschrift gilt insbesondere für Geschäftsführer und Vorstände von Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG. Sie gilt für:
- Geschäftsführer einer GmbH (oder auch einer UG)
- Vorstände einer AG
- Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG
- Vertretungsberechtigte einer Genossenschaft
- Liquidatoren
§ 283 StGB (Bankrott)
In Verbindung mit der Insolvenzverschleppung kommen häufig auch Anklagen wegen Bankrotts hinzu, etwa wenn der Geschäftsführer während der Krise:
- Vermögenswerte beiseite schafft
- Verlustgeschäfte tätigt
- Buchführungspflichten verletzt
- Die wirtschaftliche Lage verschleiert
§ 266a StGB (Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen)
Ein klassisches Begleitdelikt zur Insolvenzverschleppung ist das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen in der Krise, was separat strafbar ist und oft parallel verfolgt wird.
Personengesellschaften und Einzelunternehmer
Bei Einzelunternehmern und Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, KG) besteht keine Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO. Jedoch kann eine Strafbarkeit nach anderen Vorschriften in Betracht kommen:
- § 283 StGB (Bankrott) bei krisenverschärfendem Verhalten
- § 263 StGB (Betrug) bei Aufnahme neuer Verbindlichkeiten trotz erkennbarer Zahlungsunfähigkeit
Wichtig: Seit der InsO-Reform von 2023 müssen auch Vereine einen Insolvenzantrag stellen, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Für Vorstände eines Vereins besteht somit ebenfalls ein Strafbarkeitsrisiko bei Insolvenzverschleppung.

3. Insolvenzverschleppung Strafe — Das Strafmaß
Das Strafmaß für Insolvenzverschleppung variiert je nach Tatbestand und Schwere des Verstoßes:
Vorsätzliche Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO)
- Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder
- Geldstrafe
Fahrlässige Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 5 InsO)
- Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder
- Geldstrafe
Praktische Strafzumessung
In der Praxis ergeben sich folgende Tendenzen bei der Strafzumessung beziehungsweise es drohen folgende Strafen, wenn der Tatbestand der Insolvenzverschleppung erfüllt ist:
Insolvenzverschleppung | Typisches Strafmaß bei Ersttat | Bei erschwerenden Umständen |
---|---|---|
Vorsätzlich | 90–180 Tagessätze | Freiheitsstrafe 6–24 Monate, ggf. auf Bewährung |
Fahrlässig | 30–90 Tagessätze | 90–180 Tagessätze |
Bei Kombination mit Bankrott | Freiheitsstrafe 6–18 Monate auf Bewährung | Freiheitsstrafe 1–3 Jahre, ggf. ohne Bewährung |
Strafverschärfende Faktoren sind insbesondere:
- Lange Dauer der Verschleppung (mehrere Monate)
- Hohe verursachte Schäden für Gläubiger
- Vorstrafen im Wirtschaftsbereich
- Systematisches Vorgehen/Bereicherungsabsicht
- Viele geschädigte Arbeitnehmer
Beispiel aus der Rechtsprechung: Das OLG München verurteilte 2023 den Führer eines Geschäfts zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung, nachdem dieser den Insolvenzantrag über 8 Monate verschleppt und in dieser Zeit noch Kundenzahlungen in Höhe von 300.000 € angenommen hatte, obwohl die Leistungen nicht mehr erbracht werden konnten (Az. 4 OLG 440 Ss 102/23).
4. Strafverfolgung in der Praxis
Wie Ermittlungsverfahren eingeleitet werden
In der Praxis werden Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung häufig durch folgende Auslöser eingeleitet:
- Anzeige durch den Insolvenzverwalter
Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, den Sachverhalt zu prüfen und bei Verdacht auf Insolvenzverschleppung Strafanzeige zu erstatten. - Anzeige durch Gläubiger
Insbesondere Großgläubiger oder Lieferanten mit hohen Außenständen erstatten häufig Anzeige. - Meldung durch Sozialversicherungsträger
Wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr abgeführt werden, erfolgt häufig eine Meldung an die Staatsanwaltschaft. - Anzeige durch Mitarbeiter
Ehemalige Mitarbeiter, insbesondere aus dem Buchhaltungsbereich, zeigen Verstöße mitunter an. - Routineprüfung nach Insolvenzantragsstellung
Bei jeder Unternehmensinsolvenz prüft die Staatsanwaltschaft routinemäßig, ob ein rechtzeitiger Insolvenzantrag gestellt wurde.
Ablauf des Strafverfahrens
Ein typisches Strafverfahren bei Insolvenzverschleppung läuft wie folgt ab:
- Ermittlungsverfahren
- Durchsuchung der Geschäftsräume und/oder Privatwohnung
- Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen und elektronischen Daten
- Vernehmung von Zeugen (Mitarbeiter, Steuerberater, Buchhalter)
- Erstellung eines Gutachtens zum Zeitpunkt der Insolvenzreife
- Anklage oder Strafbefehl
Bei hinreichendem Tatverdacht erfolgt entweder:- Erhebung einer Anklage mit anschließender Hauptverhandlung oder
- Beantragung eines Strafbefehls (vereinfachtes Verfahren ohne Hauptverhandlung)
- Hauptverhandlung und Urteil
Bei Anklageerhebung folgt die Hauptverhandlung vor dem Amts- oder Landgericht mit anschließendem Urteil.

Frist zur Verjährung
Die Strafverfolgung unterliegt folgenden Verjährungsfristen:
- Vorsätzliche Insolvenzverschleppung: 5 Jahre
- Fahrlässige Insolvenzverschleppung: 3 Jahre

Die Verjährungsfrist beginnt mit der Einstellung der Geschäftstätigkeit oder mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Praxishinweis: Oft werden Ermittlungen erst Jahre nach der Insolvenz abgeschlossen. Die Strafverfolgungsbehörden haben jedoch wirksame Möglichkeiten, die Verjährung zu unterbrechen, etwa durch Vernehmungen oder andere Ermittlungshandlungen.
5. Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Strafvorwurf
Bei einem Verdacht auf Insolvenzverschleppung gibt es verschiedene Verteidigungsansätze:
1. Dokumentation des Zahlungsfähigkeitsstatus
Eine sorgfältige Dokumentation der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zum fraglichen Zeitpunkt kann belegen, dass noch keine Insolvenzreife vorlag. Der Nachweis, dass das Unternehmen nicht zahlungsunfähig war, ist dabei oft das entscheidende Element einer erfolgreichen Verteidigung. Wichtige Nachweise sind:
- Liquiditätsplanungen und ‑berechnungen
- Dokumentierte Zahlungseingänge
- Kreditlinien und Darlehensverträge
- Stundungsvereinbarungen mit Gläubigern
2. Nachweis von Sanierungsbemühungen
Aktive Sanierungsbemühungen innerhalb der 3‑Wochen-Frist können ein wichtiges Verteidigungsargument sein:
- Dokumentierte Gespräche mit Banken und Investoren
- Beauftragte Sanierungsgutachten
- Umstrukturierungsmaßnahmen und Personalabbau
- Dokumentierte Verhandlungen mit Hauptgläubigern
3. Berufung auf fachlichen Rat
Die Einholung und Befolgung von fachkundigem Rat kann einen unvermeidbaren Verbotsirrtum begründen:
- Steuerberatertestierung der Zahlungsfähigkeit
- Rechtsanwaltliche Beratung zur Insolvenzantragspflicht
- Wirtschaftsprüfergutachten zur Fortführungsprognose
4. Fehlendes Verschulden
Bei fahrlässiger Insolvenzverschleppung kann der Nachweis fehlen, dass alle zumutbaren Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen wurden:
- Regelmäßige Kontrolle der Finanzsituation
- Einholen von Expertenrat bei ersten Krisensignalen
- Einrichten eines funktionierenden Frühwarnsystems
Fallbeispiel: In einem von unserer Kanzlei betreuten Fall konnte ein Freispruch für einen GmbH-Geschäftsführer erreicht werden, indem wir nachwiesen, dass er sich auf die Aussagen seines Steuerberaters zur fortbestehenden Zahlungsfähigkeit verlassen durfte und eigenständige, regelmäßige Überprüfungen der Liquidität durchgeführt hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte den Zeitpunkt der Insolvenzreife fehlerhaft bestimmt.
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6. Fallbeispiele aus unserer Kanzleipraxis
Fall 1: Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage
Sachverhalt: Der Geschäftsführer einer mittelständischen GmbH im Baugewerbe hatte nach Ausfall eines Großkunden mit erheblichen Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Trotz deutlicher Anzeichen einer Zahlungsunfähigkeit führte er den Betrieb noch drei Monate weiter, bevor er Insolvenzantrag stellte.
Verteidigungsstrategie: Wir konnten nachweisen, dass der Mandant intensive Sanierungsbemühungen unternommen hatte, darunter:
- Dokumentierte Verhandlungen mit einer Beteiligungsgesellschaft
- Mehrere Gespräche mit der Hausbank über eine Ausweitung der Kreditlinie
- Ein beauftragtes Sanierungsgutachten, das erst kurz vor Insolvenzantragstellung fertiggestellt wurde
Ergebnis: Obwohl objektiv eine Insolvenzverschleppung vorlag, konnte eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 15.000 € erreicht werden. Eine Vorstrafe wurde damit vermieden.
Fall 2: Freispruch wegen fehlendem Vorsatz
Sachverhalt: Der Vorstand eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens (AG) wurde beschuldigt, den Insolvenzantrag um vier Monate verschleppt zu haben. Die Staatsanwaltschaft stützte sich dabei auf ein Gutachten, das die Zahlungsunfähigkeit bereits zu diesem früheren Zeitpunkt feststellte.
Verteidigungsstrategie: Wir konnten darlegen, dass:
- Der Mandant regelmäßig und detailliert die Liquiditätssituation mit dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer besprochen hatte
- Eine positive Fortführungsprognose des Wirtschaftsprüfers vorlag
- Konkrete Aufträge in der Pipeline waren, die sich nur unvorhersehbar verzögerten
- Der Mandant alle zumutbaren Maßnahmen zur Überwachung der Finanzlage getroffen hatte
Ergebnis: Das Gericht sprach den Mandanten frei, da ihm kein Vorsatz und auch keine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden konnte. Die Bewertung der Insolvenzreife wurde als komplexe Prognoseentscheidung anerkannt, bei der dem Vorstand ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht.
Fall 3: Bewährungsstrafe bei schwerwiegender Insolvenzverschleppung
Sachverhalt: Der Geschäftsführer eines IT-Dienstleisters hatte trotz offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit den Betrieb noch über acht Monate weitergeführt. In dieser Zeit wurden noch erhebliche Verbindlichkeiten eingegangen und Kundenanzahlungen angenommen.
Verteidigungsstrategie: Angesichts der erdrückenden Beweislage konzentrierten wir uns auf eine Strafmilderung durch:
- Vollständiges Geständnis und Einsicht
- Nachweis persönlicher Bemühungen des Mandanten, Gläubiger aus eigenem Vermögen zu entschädigen
- Fehlen von strafrechtlichen Vorbelastungen
- Persönliche Umstände (Familienunterhalt, gesundheitliche Probleme)
Ergebnis: Der Mandant wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusätzlich musste eine Geldauflage von 10.000 € an gemeinnützige Einrichtungen gezahlt werden.

7. Häufige Fragen zu strafrechtlichen Konsequenzen
Fazit — Insolvenzverschleppung vermeiden
Die strafrechtlichen Konsequenzen einer Insolvenzverschleppung können erheblich sein und von Geldstrafen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen reichen. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung – idealerweise bereits bei ersten Anzeichen einer Unternehmenskrise – ist der beste Schutz vor strafrechtlichen Risiken.
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