Vorwurf Insolvenzverschleppung
Begrenzter Adressatenkreis: Antragspflichtig sind im Wesentlichen juristische Personen und Personengesellschaften, deren Gesellschafter keine natürlichen Personen sind. Für viele Selbstständige ist es daher ausgeschlossen, eine Insolvenzverschleppung zu begehen.
Insolvenzgründe: Eine Insolvenzantragspflicht wird nur bei einem der drei Insolvenzgründe – Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – ausgelöst.
Vorsätzliche und fahrlässige Insolvenzverschleppung: Die Insolvenzordnung unterscheidet zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Insolvenzverschleppung. Diese Differenzierung spiegelt sich im unterschiedlichen Strafmaß wider.
Kurze Antragsfristen: Abhängig vom Insolvenzgrund sind die Verantwortlichen verpflichtet, den Insolvenzantrag drei oder sechs Wochen nach Eintritt eines Insolvenzgrundes zu stellen.
Ein brisantes Thema für Selbständige oder solche, die es werden wollen, ist das mit vielen Unklarheiten versehene Thema der Insolvenzverschleppung. Fragen um Fristen, die Anforderungen an das Verschulden sowie den tauglichen Adressatenkreis ranken sich um diesen Tatbestand; aufsehenerregende Fälle wie Schlecker oder Wirecard schüren die Ängste um Medienrummel und hohe Freiheitsstrafen.
Der folgende Beitrag soll Licht in das Dunkel dieser Fragen bringen und für Selbstständigen ein Bewusstsein für die Insolvenzantragspflicht schaffen – denn bei Missachtung dieser Pflicht kann das Gesetz mit scharfen Sanktionsmöglichkeiten reagieren. Relevant ist dies insbesondere, weil Beschuldigte häufig nicht einmal wissen, dass sie sich strafbar gemacht haben. So lassen sich unzureichende Kenntnisse über die gesetzlichen Bestimmungen einer Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO sowie die Einstufung der unternehmerischen Situation als Krise häufig feststellen.
Wann begehe ich eine Insolvenzverschleppung?
Unter der Insolvenzverschleppung ist ein in der Insolvenzordnung in § 15a normierter Straftatbestand zu verstehen. Die Rechtsfolgen der Insolvenzverschleppung – nach der Insolvenzordnung Geld- oder Freiheitsstrafen, abhängig von dem Verschuldensgrad des Täters oder der Täterin einer Insolvenzverschleppung – werden im Wesentlichen ausgelöst, wenn eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet ist und die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler einen Eröffnungsantrag zum Insolvenzverfahren nicht fristgemäß stellen. Verpflichtet zu der Antragstellung sind neben den Geschäftsführern und Vorständen andere gesetzliche Vertreter der Gesellschaft.
Die Insolvenzantragspflicht gilt gemäß § 15a InsO für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), Kommanditgesellschaften (KG), Offene Handelsgesellschaften (oHG), Aktiengesellschaften (AG) sowie Ausländische Gesellschaften, etwa Ltd. mit Geschäftsinteressen in Deutschland.
Kennzeichnend – und für die Antragspflichtigen so gefährlich – sind die knapp bemessenen Fristen in §15a InsO mit Blick auf die Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Demnach ist der Antrag gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 InsO grundsätzlich ohne schuldhaftes Zögern, d. h. unverzüglich, zu stellen. Bei Zahlungsunfähigkeit oder drohender Zahlungsunfähigkeit ist der Antrag nach § 15a Abs. 1 S. 2 InsO drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Verlängert auf sechs Wochen wird diese Frist nach derselben Norm nach dem Eintritt der Überschuldung.
Das schlichte schuldhafte Verstreichenlassen dieser Fristen löst die Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung aus. Ursächlich für diese zügige und strenge Ahndung ist der Umstand, dass den Gläubigern, die ihrerseits Rechnungen zu tilgen haben und mit dem Unternehmen kalkulieren, auf die Zahlungsfähigkeit korrespondierender Unternehmen vertrauen. Im ungünstigsten Fall kann daher die zu späte Antragstellung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Unternehmensinsolvenz der Gläubiger des insolventen Unternehmens führen.
Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung wird sehr häufig erfüllt, es handelt sich insofern um den am weithäufigsten verwirklichten Straftatbestand des Wirtschaftsstrafrecht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich einige Unternehmensinhaber an aussichtslosen Sanierungsaussichten festhalten und nicht im Blick haben, dass auch trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und mit involviertem Insolvenzverwalter vielversprechende Sanierungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen bestehen. Insbesondere ist mit der Anmeldung der Insolvenz das Schicksal des Unternehmens nicht besiegelt.
Eingegrenzter Adressatenkreis der Insolvenzverschleppung
Die bloße Selbstständigkeit oder Unternehmensinhaberschaft birgt nicht die Gefahr, die Straftat der Insolvenzverschleppung zu begehen. Vielmehr sind juristische Personen (etwa die GmbH, die Aktiengesellschaft (AG), die Unternehmensgesellschaft (UG), der wirtschaftliche Verein oder die Stiftung) antragspflichtig. Daneben besteht eine Antragspflicht für Personengesellschaften, deren Gesellschaft keine natürliche, mit ihrem Privatvermögen haftende Person ist (etwa die GmbH & Co. KG). Insolvenzantragspflichtig sind auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland.
Im Ernstfall unmittelbar zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet sind die Vertreter der juristischen Personen. Bei einer GmbH muss demnach beispielsweise der Geschäftsführer, bei einer Aktiengesellschaft ein Mitglied des Vorstands vorstellig werden. Die Strafbarkeit kann auch Personen treffen, die lediglich nach außen als Geschäftsführer agieren (sogenannte faktische Geschäftsführer).
Demgegenüber können sich die vielen Selbstständigen, Freiberufler und Inhaber von Personengesellschaften (dazu zählen etwa die OHG, KG oder GbR) per se nicht wegen einer Insolvenzverschleppung strafbar machen, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO.
Nicht antragspflichtig sind gemäß § 15a Abs. 7 InsO zudem Vereine und Stiftungen, für die § 42 Abs. 2 BGB Geltung beansprucht.
Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung, § 15a InsO
§ 15a Abs. 1 InsO regelt die Tatbestandsmerkmale, welche Voraussetzung dafür sind, dass der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung erfüllt wird. Neben dem Adressatenkreis – eine juristische Person, die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler – werden die drei Gründe, welche eine Insolvenzantragspflicht erzeugen können (Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 InsO, drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO und Überschuldung, § 19 Abs. 1 InsO), und die Antragsfristen, aufgeführt.
Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit
Bei Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens kann die Insolvenzantragspflicht ausgelöst werden, §§ 15a Abs. 1 S. 1, 17 Abs. 1 InsO.
Gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist der Schuldner zahlungsfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dies kann unterstellt werden, wenn das Unternehmen wenigstens drei Wochen lang nicht in der Lage ist, mehr als zehn Prozent seiner fälligen Zahlungen zu leisten.
Insolvenzantragspflicht bei drohender Zahlungsunfähigkeit
Als weiterer Eröffnungsgrund für die Insolvenzantragspflicht, §§ 15a Abs. 1 S. 1, 18 Abs. 1 InsO, gilt der ähnlich gelagerte Umstand der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Dieser setzt gemäß § 18 Abs. 2 InsO voraus, dass der Schuldner voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein wird, die bestehende Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Dabei ist in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen, § 18 Abs. 2 S. 2 InsO. Innerhalb dieses Prognosezeitraums müssen konkrete Anhaltspunkte für die drohende Zahlungsunfähigkeit zutage treten. Diese kann etwa bei deutlichem Umsatzrückgang oder unvorhergesehenen Kostenpunkten für das Unternehmen eintreten.
Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung
Letztlich stellt die Überschuldung einen Eröffnungsgrund für die Insolvenzantragspflicht dar, §§ 15a Abs. 1 S.1, 19 Abs. 1 InsO. Von einer Überschuldung ist gemäß § 19 Abs. 2 InsO auszugehen, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Zum Vermögen zählen neben Bargeld und Immobilien auch Maschinen oder Forderungen gegenüber Dritten.
Die Insolvenzantragsfristen – Fristbeginn und Fristdauer
Auch in § 15a Abs. 1 InsO geregelt ist das Tatbestandsmerkmal der Insolvenzantragsfrist.
Diese beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem entweder Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung als einer der Insolvenzgründe eingetreten ist – unabhängig davon, ob die Verantwortlichen tatsächlich den Eintritt eines Insolvenzgrundes bemerkt haben. Entscheidend und ausreichend für den Fristbeginn ist nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die Verantwortlichen.
Die Fristdauer zur Stellung des Insolvenzantrags ist dann im Einzelnen davon abhängig, von welchem Insolvenzgrund das konkrete Unternehmen betroffen ist.
Bei Zahlungsunfähigkeit und drohender Zahlungsunfähigkeit beträgt die Insolvenzantragsfrist drei Wochen, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO. Auf sechs Wochen verlängert ist die Insolvenzantragspflicht bei dem Insolvenzgrund der Überschuldung, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO.
Diese sichtlich sehr kurzen Fristen kombiniert mit dem Umstand, dass die Antragsfrist unabhängig von der positiven Kenntnis zu laufen beginnt, mahnen dazu an, sich bereits bei frühen Abzeichnungen finanzieller Engpässe, die eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach sich ziehen könnten, professionelle Beratungen durch spezialisierte Rechtsanwälte für Strafrecht und Steuerrecht einzuholen.
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass der rechtzeitig gestellte Insolvenzantrag beim örtlich zuständigen Amtsgericht – die Zuständigkeit hängt von dem Sitz des jeweiligen Unternehmens ab – gestellt wird. Inhaltlich muss der Insolvenzantrag, neben den Personalien, das konkrete Unternehmen und die Ursachen der Insolvenz umreißen. Dazu gehören etwa Auskünfte über den Insolvenzgrund, sowie detaillierte Gläubiger-, Schuldner- und Vermögensverzeichnisse.
Strafe bei Insolvenzverschleppung
§ 15a InsO sieht potenziell hohe Strafen für Täter einer Insolvenzverschleppung vor. Das Strafmaß variiert dabei erheblich in Abhängigkeit davon, ob die Insolvenzverschleppung vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde.
Vorsätzliche Insolvenzverschleppung
Die Insolvenzverschleppung wird vorsätzlich begangen, wenn die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags bewusst und absichtlich missachtete wurde, demnach wenn die Verantwortlichen trotz positiver Kenntnis von einem Insolvenzgrund keinen Insolvenzantrag gestellt haben. Dau zählen ebenfalls Fälle, in welchen das Unternehmen die wirtschaftliche Krisensituation bewusst zu dem Zweck verschleiert hat, einen Insolvenzantrag hinauszuzögern.
Bei einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung bewegt sich das Strafmaß gemäß § 15a Abs. 4 InsO zwischen Geldstrafe und bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Zusätzlich kann ein Verbot für fünf Jahre verhängt werden, als Geschäftsführer tätig zu werden.
Fahrlässige Insolvenzverschleppung
Fahrlässig ist die Insolvenzverschleppung demgegenüber, wenn die Verantwortlichen ihrer Insolvenzantragspflicht nicht bewusst, aber schuldhaft, nicht nachgekommen sind. Damit wird die Missachtung von Sorgfaltspflichten, welche etwa in einer sorgfaltswidrigen Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bestehen kann, strafrechtlich sanktioniert.
Insofern können die Verantwortlichen gemäß § 15a Abs. 5 InsO eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr erwarten.
Weitere Strafen bei Insolvenzverschleppung
Zivilrechtliche Folgen können das verantwortliche Organ der Gesellschaft, wie etwa den Geschäftsführer einer GmbH, in den Fällen der vorsätzlichen und fahrlässigen Insolvenzverschleppung treffen. Diese haften persönlich mit ihrem Privatvermögen für Handlungen, die die Insolvenzmasse reduzieren, und können sich daher den Schadensersatzansprüchen neuer Gläubiger, dem Finanzamt oder der Sozialversicherung ausgesetzt sehen.
Diesen straf- und zivilrechtlichen Sanktionsmechanismen liegt primär der Gedanke der Abschreckung zugrunde. Die Gläubiger sollten geschützt und eine gerechte Verteilung des Restvermögens des insolventen Unternehmens sichergestellt werden.
Die Höhe der Strafe hängt auch bei der Insolvenzverschleppung maßgeblich von dem konkreten Einzelfall ab. Hinzuweisen ist in diesem Kontext zudem auf die Möglichkeit eines Eintrags im Führungszeugnis. Grundsätzlich werden Geldstrafen erst ab mehr als 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen von mehr als drei Monaten vermerkt, sofern keine weiteren Strafen eingetragen sind. Ein spezialisierter Anwalt für Strafrecht und Steuerrecht wird es sich hier zu einer wichtigen Aufgabe machen, einen Eintrag nach Möglichkeit zu vermeiden, da viele Arbeitgeber die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangen.
Wofür benötige ich einen Anwalt?
Weitaus wesentlicher als bei anderen Straftaten ist es, sich bei drohender Insolvenz frühestmöglich um einen spezialisierten Rechtsanwalt für Strafrecht zu bemühen. Wir können Ihnen helfen, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, sodass eine Insolvenzverschleppung vermieden werden kann. Doch auch, wenn Sie bereits einer Insolvenzverschleppung beschuldigt werden, können wir Sie mit langjähriger Erfahrung effektiv und nachhaltig beraten. Wir werden unser Bestes geben, das Strafmaß möglichst gering und den Ruf Ihres Unternehmens schadlos zu halten.
Bemühen Sie sich daher rechtzeitig um professionellen anwaltlichen Rat. Nur so stellen Sie sicher, dass Ihre Beratung und Vertretung in jedem Verfahrensstadium durch einen erfahrenen Strafverteidiger bestmöglich garantiert ist.