Insolvenzverschleppung als Einzelunternehmer & Privatpersonen: Rechtslage 2025
Keine Antragspflicht nach § 15a InsO für Einzelunternehmer, selbst wenn überschuldet
Keine direkte Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung
Aber: Strafbarkeit nach anderen Vorschriften möglich
Unterschiedliche Rechtsfolgen im Vergleich zu Kapitalgesellschaften
1. Können sich Einzelunternehmer und Privatpersonen wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen?
Die Frage, ob Einzelunternehmer und Privatpersonen sich der Insolvenzverschleppung strafbar machen können, beschäftigt viele Selbstständige in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Im Gegensatz zu Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften wie GmbH oder AG besteht für Einzelunternehmen und Privatpersonen keine gesetzliche Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO. Dies führt zu einer grundlegend anderen rechtlichen Ausgangslage.
Als Einzelunternehmer oder Privatperson droht Ihnen nicht die klassische Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung, wie sie für Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften besteht. Dennoch gibt es wichtige rechtliche Risiken, die Sie kennen sollten.
Wichtig: Während für Einzelunternehmer keine Pflicht zur Insolvenzantragstellung besteht, können dennoch andere strafrechtliche Vorschriften greifen, wenn Sie trotz erkennbarer Zahlungsunfähigkeit weiterwirtschaften und dadurch Gläubiger schädigen.
2. Wann droht Einzelunternehmen dennoch Strafe bei Insolvenz?
Obwohl Einzelunternehmer und Privatpersonen nicht wegen Insolvenzverschleppung im engeren Sinne belangt werden können, bestehen andere Straftatbestände, die in der Insolvenz relevant werden können:
§ 283 StGB: Bankrott
Der Bankrotttatbestand kann auch Einzelunternehmer treffen. Strafbar macht sich, wer bei drohender Zahlungsunfähigkeit, im Zustand der Überschuldung oder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit:
- Vermögenswerte beiseiteschafft oder verheimlicht
- Wirtschaftliche Aufzeichnungen vernichtet oder verändert
- Handelsbücher nicht ordnungsgemäß führt oder Bilanzen nicht rechtzeitig erstellt
- In anderer Weise seinem Geschäftsbetrieb unangemessene Verlustgeschäfte tätigt
Strafmaß: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe
§ 263 StGB: Betrug
Ein Betrug kann vorliegen, wenn ein Einzelunternehmer trotz erkennbarer Zahlungsunfähigkeit:
- Neue Waren bestellt
- Kundenzahlungen für nicht mehr erbringbare Leistungen annimmt
- Kredite aufnimmt oder verlängern lässt
- Dabei die eigene Zahlungsunfähigkeit verschweigt
Strafmaß: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen bis zu 10 Jahren
§ 266a StGB: Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen
Wenn Einzelunternehmer mit Angestellten in der Krise keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abführen, kann dies ebenfalls strafbar sein:
Strafmaß: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe
Fallbeispiel: Ein selbstständiger Handwerker nimmt trotz erkennbarer Zahlungsunfähigkeit noch einen Großauftrag an und lässt sich eine Anzahlung von 10.000 € auszahlen. Obwohl er weiß, dass er den Auftrag nicht mehr erfüllen kann, verwendet er das Geld zur Begleichung privater Schulden. Dies kann als Betrug gewertet werden.
Praxishinweis: Die Staatsanwaltschaft prüft bei Insolvenzverfahren von Einzelunternehmern regelmäßig, ob Anhaltspunkte für Bankrott oder Betrug vorliegen. Besonders kritisch wird das Verhalten in den letzten Monaten vor der Insolvenz betrachtet.
3. Besonderheiten für Einzelunternehmer: Recht und Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen
Obwohl keine gesetzliche Pflicht zur Insolvenzantragstellung besteht, gibt es für Einzelunternehmer und Privatpersonen durchaus das Recht zur Insolvenzantragstellung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO). In bestimmten Situationen kann eine freiwillige Antragstellung sogar dringend anzuraten sein:
Gründe für eine freiwillige Antragstellung:
- Restschuldbefreiung: Nach erfolgreichem Durchlaufen des Insolvenzverfahrens und einer Wohlverhaltensperiode von 3 Jahren kann eine Befreiung von den restlichen Schulden erfolgen
- Schutz vor Strafbarkeit: Eine rechtzeitige Antragstellung kann das Risiko einer Strafbarkeit wegen Bankrott oder Betrug minimieren
- Beendigung der Haftungssituation: Das gesamte Privatvermögen haftet für Geschäftsschulden – Ein Insolvenzantrag zu stellen kann der erste Schritt in Richtung finanzieller Erneuerung sein.
Besondere Konstellationen bei Personengesellschaften:
Bei Personengesellschaften wie der GbR, OHG oder KG gilt ebenfalls keine Insolvenzantragspflicht. Allerdings ist zu beachten:
- Für eine GmbH & Co. KG besteht eine Antragspflicht für die Komplementär-GmbH
- Bei einer OHG oder KG kann ein Insolvenzantrag über das Gesellschaftsvermögen gestellt werden
- Die persönlich haftenden Gesellschafter können separat Privatinsolvenz anmelden
Besondere Haftungsrisiken seit 2021: Mit dem StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen) wurden neue Haftungsrisiken für Geschäftsleiter eingeführt, die auch Auswirkungen auf Einzelunternehmer haben können, insbesondere bei der Beratung des Geschäftsführers durch Steuerberater oder andere Berater.
Wichtig: Bis 2020 mussten Privatpersonen 6 Jahre warten, bis sie eine Restschuldbefreiung erlangen konnten. Seit Anfang 2021 ist die Frist auf 3 Jahre verkürzt worden, was die Insolvenz für Einzelunternehmer deutlich attraktiver macht.

4. Warnzeichen und typische Fehler bei drohender Insolvenz
Für Einzelunternehmer ist es besonders wichtig, Anzeichen einer wirtschaftlichen Schieflage frühzeitig zu erkennen, um rechtliche Risiken zu minimieren:
Typische Warnzeichen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit:
- Dauerhafte Kontoüberziehung
- Häufung von Mahnungen und Inkassoschreiben
- Regelmäßige Zahlungsaufschübe gegenüber Lieferanten
- Nichtzahlung von Steuern und Sozialabgaben
- Privatentnahmen können nicht mehr reduziert werden
- Ausbleiben von Gehaltszahlungen an sich selbst
Typische Fehler in der Krise:
- “Weitermachen wie bisher“
Viele Einzelunternehmer hoffen in der Krise auf Besserung, ohne ihre Geschäftsstrategie anzupassen. - Vermischung von Privat- und Geschäftsvermögen
In der Krise werden oft Firmenwerte privat genutzt oder verkauft, was später als Bankrotthandlung gewertet werden kann. - Kurzfristige “Löcher stopfen“
Das Bezahlen des drängendsten Gläubigers ohne nachhaltige Strategie verschärft oft nur die Gesamtsituation. - Ignorieren von Steuer- und Sozialversicherungspflichten
Diese Verbindlichkeiten haben strafrechtliche Relevanz und sollten prioritär behandelt werden. - Keine professionelle Beratung einholen
Aus falscher Scham oder Kostenangst wird oft auf rechtliche und steuerliche Beratung verzichtet.
Fallbeispiel: Ein selbstständiger IT-Berater gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Statt seine Situation zu analysieren, nimmt er weiter Aufträge an, obwohl er weiß, dass er diese nicht mehr termingerecht erfüllen kann. Er verwendet eingehende Anzahlungen, um ältere Verbindlichkeiten zu begleichen. Als schließlich ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt, wird ihm Eingehungsbetrug vorgeworfen, da er in den letzten Monaten noch Aufträge im Wert von 50.000 € angenommen hatte, obwohl er bereits zahlungsunfähig war.
Praxishinweis: Die frühzeitige Konsultation eines auf Insolvenzrecht spezialisierten Anwalts kann helfen, strafrechtliche Risiken zu minimieren und Handlungsoptionen auszuloten.
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5. Rechtliche Unterschiede: Insolvenz bei Einzelunternehmern vs. Kapitalgesellschaften
Um die Besonderheiten der Insolvenz bei Einzelunternehmern zu verstehen, ist ein Vergleich mit der Situation bei Kapitalgesellschaften hilfreich:
Aspekt | Einzelunternehmer | GmbH/AG |
---|---|---|
Insolvenzantragspflicht | Keine gesetzliche Pflicht | Pflicht nach § 15a InsO binnen 3 Wochen |
Strafbarkeit bei verspätetem Antrag | Keine direkte Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung | Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe |
Haftung | Unbeschränkte persönliche Haftung mit Privatvermögen | Grundsätzlich nur Gesellschaftsvermögen, persönliche Haftung nur bei Pflichtverletzungen |
Vermögenssphären | Keine Trennung zwischen Geschäfts- und Privatvermögen | Trennung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen |
Restschuldbefreiung | Möglich nach 3 Jahren | Nur für persönlich haftende Gesellschafter relevant |
Besondere Aspekte für Einzelunternehmer:
- Keine Haftungsbeschränkung
Das gesamte Privatvermögen haftet für geschäftliche Verbindlichkeiten. - Keine Pflichtverletzung durch Nichtantragstellung
Anders als bei Kapitalgesellschaften ist das bloße Unterlassen einer Antragstellung nicht strafbar. - Häufiger Gläubigerantrag
Da Einzelunternehmer oft keinen Eigenantrag stellen, wird das Insolvenzverfahren häufiger durch Gläubiger eingeleitet. - Größere Relevanz der Bankrotttatbestände
Da keine Insolvenzverschleppung vorliegt, konzentrieren sich strafrechtliche Ermittlungen auf möglichen Bankrott oder Betrug.
Wichtig: Für Gesellschafter einer OHG oder KG besteht zwar keine Insolvenzantragspflicht, jedoch können sie über das Gesellschaftsvermögen in die Insolvenz geraten. Da sie unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen haften, führt dies oft zu einer Privatinsolvenz der Gesellschafter.

6. Handlungsoptionen und Insolvenzverfahren für Einzelunternehmer in der Krise
Wenn Sie als Einzelunternehmer in eine finanzielle Schieflage geraten, stehen Ihnen verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung:
1. Sanierungsbemühungen
Vor einem Insolvenzantrag sollten Sanierungsmöglichkeiten geprüft werden:
- Umstellung des Geschäftsmodells
- Verhandlungen mit Hauptgläubigern über Stundungen oder Teilerlasse
- Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen
- Reduzierung von Privatentnahmen
- Aufnahme von Gesellschaftern oder Investoren
2. Außergerichtliche Einigung
Eine außergerichtliche Einigung, bei der der Schuldner direkt mit allen Gläubigern verhandelt, kann eine Insolvenz vermeiden:
- Abschluss eines privaten Schuldenbereinigungsplans
- Quotenzahlungen gegen Erlass der Restforderungen
- Ratenzahlungsvereinbarungen mit verlängerten Laufzeiten
3. Freiwillig Insolvenz anmelden
Bei aussichtsloser Situation kann ein freiwilliger Insolvenzantrag die beste Option sein:
- Sicherer Weg zur Restschuldbefreiung nach 3 Jahren gemäß der Insolvenzordnung.
- Beendigung der unbeschränkten Haftung für neue Verbindlichkeiten
- Vermeidung einer weiteren Verschlimmerung der Situation
- Schutz vor strafrechtlichen Vorwürfen durch proaktives Handeln
4. Betriebsaufgabe vor Insolvenz
In bestimmten Situationen kann eine geordnete Betriebsaufgabe vor einer Insolvenz sinnvoll sein:
- Verkauf des Betriebs oder einzelner Vermögenswerte
- Ordnungsgemäße Beendigung aller Vertragsverhältnisse
- Erstellung einer Abschlussbilanz
- Anmeldung zur Arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit
Fallbeispiel: Ein selbstständiger Einzelhändler bemerkt, dass er seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann. Statt abzuwarten, bis ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt, sucht er frühzeitig rechtlichen Rat. Mit Unterstützung eines Fachanwalts für Insolvenzrecht gelingt es ihm, einen Teil seines Warenlagers an einen Konkurrenten zu verkaufen und mit dem Erlös die drängendsten Gläubiger zu befriedigen. Für die verbleibenden Schulden stellt er einen Insolvenzantrag und kann nach 3 Jahren die Restschuldbefreiung erlangen. Durch sein proaktives Handeln vermeidet er strafrechtliche Vorwürfe.
Praxishinweis: Je früher Sie als Einzelunternehmer auf eine Krise reagieren, desto mehr Handlungsoptionen bleiben Ihnen. Eine fachkundige Beratung kann auch in scheinbar aussichtslosen Situationen noch Lösungswege aufzeigen.
7. Aktuelle Rechtsentwicklungen und Frist für Einzelunternehmer seit 2023
Die Rechtslage im Insolvenzrecht entwickelt sich stetig weiter. Für Einzelunternehmer sind folgende aktuelle Entwicklungen besonders relevant:
Reform des Insolvenzrechts 2023/2024
- Stärkung der Eigenverwaltung auch für Kleinunternehmer
- Vereinfachte Restschuldbefreiung mit klarerem Verfahren
- Digitalisierung des Insolvenzverfahrens mit elektronischem Gläubigerinformationssystem
Änderungen im Steuerrecht mit Auswirkungen auf die Insolvenz
- Neue Regelungen zur Umsatzsteuer in der Insolvenz
- Veränderte Behandlung der Einkommensteuer bei Betriebsaufgabe
- Anpassungen bei der Besteuerung von Sanierungsgewinnen
StaRUG als Alternative zur Insolvenz
Das 2021 eingeführte Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) stellt auch für größere Einzelunternehmen eine Alternative zum Insolvenzverfahren dar:
- Möglichkeit zur Restrukturierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens
- Überwindung von Blockadepositionen einzelner Gläubiger
- Fortführung des Unternehmens ohne Insolvenzantrag
Wichtig: Die aktuellen Rechtsentwicklungen schaffen neue Chancen für Einzelunternehmer in der Krise. Gleichzeitig steigen aber auch die Anforderungen an eine sorgfältige Dokumentation der wirtschaftlichen Situation.

8. Fazit und Empfehlungen für Einzelunternehmer
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Einzelunternehmer und Privatpersonen zwar nicht der klassischen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung unterliegen, jedoch andere strafrechtliche Risiken bestehen:
Kernerkenntnisse
- Keine direkte Insolvenzverschleppungsstrafbarkeit für Einzelunternehmer und Privatpersonen
- Aber: Strafbarkeit wegen Bankrott oder Betrug bei krisenverschärfendem Verhalten möglich
- Unbeschränkte Haftung mit dem gesamten Privatvermögen
- Rechtzeitige Insolvenzantragstellung kann vor strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folgen schützen
- Verkürzte Restschuldbefreiung nach 3 Jahren macht die Insolvenz für Einzelunternehmer attraktiver
Praktische Empfehlungen — Insolvenzverschleppung vermeiden
- Frühwarnsystem etablieren: Schaffen Sie ein einfaches Controlling-System, das Ihnen frühzeitig Liquiditätsengpässe anzeigt
- Trennung von Geschäfts- und Privatvermögen: Auch wenn rechtlich keine Trennung besteht, hilft eine saubere Buchhaltung bei späteren Nachweisen
- Dokumentation aller Geschäftsentscheidungen: Besonders wichtig bei Krisensituationen zur Abwehr von Bankrottvorwürfen
- Priorität bei Verbindlichkeiten: Besondere Aufmerksamkeit für Steuern und Sozialabgaben wegen möglicher strafrechtlicher Relevanz
- Frühzeitige Beratung: Konsultieren Sie einen spezialisierten Rechtsanwalt, sobald sich Zahlungsschwierigkeiten abzeichnen
Obwohl Einzelunternehmer nicht der klassischen Insolvenzverschleppungsstrafbarkeit unterliegen, ist eine proaktive Herangehensweise an wirtschaftliche Schwierigkeiten entscheidend, um strafrechtliche Risiken zu minimieren und einen geordneten Neuanfang zu ermöglichen.
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