Die Ampel symbolisiert die aktuelle deutsche Regierung.

Bundeskanzler Olaf Scholz feuert Bundesfinanzminister Christian Lindner

Das Wich­tigste in Kürze zur Entlas­sung von Bundes­mi­nister Lindner


Entlas­sung eines Bundes­mi­nis­ters: Bundes­kanzler Olaf Scholz hat Bundes­prä­si­dent Stein­meier um die Entlas­sung von Chris­tian Lindner gebeten. Gemäß Art. 64 GG kann der Kanzler Minister ernennen und entlassen, wenn das poli­ti­sche Vertrauen fehlt.

Rolle des Bundes­prä­si­denten: Der Bundes­prä­si­dent muss die Entlas­sung eines Minis­ters auf Vorschlag des Kanz­lers voll­ziehen und hat hierbei keine poli­ti­sche Mitwir­kungs­be­fugnis.

Vertrau­ens­frage und Neuwahlen: Olaf Scholz will am 15. Januar 2025 die Vertrau­ens­frage stellen. Wird diese nicht positiv beant­wortet, könnten Neuwahlen bis Ende März 2025 statt­finden.

Anspruch auf Gehalt: Lindner erhält ein Über­gangs­geld, das sich auf bis zu 243.000 Euro belaufen kann, abhängig von der Amts­zeit. Ein Ruhe­ge­halt steht ihm nicht zu, da er weniger als vier Jahre im Amt war.

Wie die Entlassung eines Bundesministers möglich ist

Meine Damen und Herren, ich habe den Bundes­prä­si­denten soeben um die Entlas­sung des Bundes­mi­nis­ters der Finanzen gebeten.“ Olaf Scholz, 06.11.2024

Die Ampel­ko­ali­tion ist nach weniger als drei Jahren Regie­rungs­zeit wohl offenbar geschei­tert.

Am 6. November 2024 hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zunächst umfang­reich beraten, um Wege aus der Ampel-Krise sowie Lösungen zu finden, wie die Wirt­schafts­lage des Landes gerettet werden könne.

Am Abend rief die SPD sodann ihre Bundes­tags­frak­tion zu einer Sitzung zusammen, nachdem Bundes­fi­nanz­mi­nister Lindner dem Bundes­kanzler eine Neuwahl des Bundes­tages vorge­schlagen hatte.

Als nega­tiver Höhe­punkt der über Monate andau­ernden Strei­tig­keiten zwischen SPD, Grünen und FDP entschloss sich Bundes­kanzler Olaf Scholz dazu, Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­meier um die Entlas­sung des Bundes­fi­nanz­mi­nis­ters Chris­tian Lindner zu bitten – zu oft seien nötige Kompro­misse durch öffent­lich insze­nierten Streit und laute ideo­lo­gi­sche Forde­rungen über­tönt wurden, zu oft habe Bundes­mi­nister Lindner Gesetze sach­fremd blockiert, so Scholz in seiner Rede am Abend des 6. November.

Die FDP kündigte noch am selben Abend an, all ihre Minister, mithin Chris­tian Lindner (Finanz­mi­nister), Marco Busch­mann (Justiz­mi­nister), Volker Wissing (Verkehrs­mi­nister) und Bettina Stark-Watz­inger (Bildungs­mi­nis­terin) aus der Bundes­re­gie­rung zurück­zu­ziehen. Damit beendet die FDP das Drei­er­bündnis der Ampel-Koali­tion.

Am 7. November händigte Bundes­prä­si­dent Stein­meier gemäß Artikel 64 Abs. 1 GG auf Vorschlag des Bundes­kanz­lers dem Bundes­mi­nister der Finanzen Chris­tian Lindner, dem Bundes­mi­nister der Justiz Marco Busch­mann und der Bundes­mi­nis­terin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watz­inger, die Entlas­sungs­ur­kunden aus ihrem Amt aus. Im Anschluss ernannte er Jörg Kukies zum neuen Bundes­mi­nister der Finanzen und Volker Wissing, welcher am selben Tage seinen Austritt aus der FDP erklärt hatte, zum Bundes­mi­nister der Justiz.

Kann der Bundeskanzler einen Bundesminister einfach entlassen?

Die Entlas­sung von Bundes­mi­nis­tern ist ebenso wie ihre Ernen­nung im Grund­ge­setz und im Bundes­mi­nis­ter­ge­setz gere­gelt.

In Artikel 64 Abs. 1 des Grund­ge­setzes heißt es: „Die Bundes­mi­nister werden auf Vorschlag des Bundes­kanz­lers vom Bundes­prä­si­denten ernannt und entlassen.“

§ 9 des Bundes­mi­nis­ter­ge­setzes bestimmt: „Das Amts­ver­hältnis der einzelnen Bundes­mi­nister endet außerdem mit ihrer Entlas­sung. Die Bundes­mi­nister können jeder­zeit entlassen werden und ihre Entlas­sung jeder­zeit verlangen.“

Damit fällt die Entschei­dung über die Ernen­nung und Erlas­sung der einzelnen Bundes­mi­nister grund­sätz­lich in die Perso­nal­ge­walt des Bundes­kanz­lers. Auch die Entlas­sung eines Bundes­mi­nis­ters geschieht damit grund­sätz­lich auf Initia­tive des Bundes­kanz­lers.

Art. 64 Abs. 1 GG steht in engem Zusam­men­hang mit Art. 65 GG und der dort veran­kerten Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz des Bundes­kanz­lers, welche voraus­setzt, dass der Bundes­kanzler solche Personen in sein Kabi­nett berufen kann, die unein­ge­schränkt sein poli­ti­sches Vertrauen besitzen. Damit einher geht das Recht, Personen aus dem Kabi­nett entlassen zu können, die sein poli­ti­sches Vertrauen verloren haben.

Formal­ju­ris­tisch wird kein Unter­schied zwischen einem frei­wil­ligen Rück­tritt des Minis­ters und einer Entlas­sung gemacht. Für einen Rück­tritt können Minister ledig­lich um ihre Entlas­sung bitten. So hatte beispiels­weise Franz Münte­fe­ring (SPD) im Jahre 2007 seinen Rück­tritt erklärt und um seine Entlas­sung gebeten.

Hätte Bundespräsident Steinmeier die Entlassung verweigern können?

Der Bundes­prä­si­dent ist grund­sätz­lich recht­lich verpflichtet ist, die vom Bundes­kanzler vorge­schla­genen Personen zu Minis­tern zu ernennen (sofern die recht­li­chen Voraus­set­zungen für die Ernen­nung erfüllt sind) bzw. diese zu entlassen.

Ein Mitwir­kungs­recht des Bundes­prä­si­denten wäre in poli­tisch-mate­ri­eller Hinsicht mit der Stel­lung des Bundes­prä­si­denten unver­einbar. Die poli­ti­schen Befug­nisse des Bundes­prä­si­denten sind nach dem Grund­ge­setz sehr begrenzt, er verfügt nur in Ausnah­me­fällen nach dem eindeu­tigen Wort­laut der Verfas­sung über Möglich­keiten poli­ti­scher Einfluss­nahme.

Der Bundes­prä­si­dent ist auch sonst bei poli­tisch rele­vanten Hand­lungen über Art. 58 GG an die poli­ti­schen Ansichten der Bundes­re­gie­rung gebunden, sodass es grund­sätz­lich wider­sprüch­lich wäre, wenn er bei der Ernen­nung und Entlas­sung der Minister Einfluss nehmen könnte.

Fener unter­liegt der Bundes­prä­si­dent auch keiner parla­men­ta­ri­schen Kontrolle, ist nicht vom Volk gewählt oder abrufbar. Hätte er bei der Minis­ter­be­stel­lung oder Minis­ter­ent­las­sung eine poli­ti­sche Befugnis, würde das reprä­sen­tativ-demo­kra­ti­sche parla­men­ta­ri­sche System erheb­lich beein­träch­tigt.

Vertrauensfrage – Wann müssen Neuwahlen stattfinden?

Olaf Scholz hat ange­kün­digt am 15. Januar 2025 die Vertrau­ens­frage stellen zu wollen, Neuwahlen strebt er bis Ende März 2025 an. Derzeit wird disku­tiert, ob die Vertrau­ens­frage nicht umge­hend gestellt werden müsste.

So drängen Oppo­si­ti­ons­führer Fried­rich Merz (CDU) und Minis­ter­prä­si­dent von Bayern Markus Söder (CSU) etwa darauf, dass die Vertrau­ens­frage möglichst umge­hend gestellt wird.

Gemäß Art. 68 Abs. 1 GG hat der Bundes­kanzler das Recht, beim Bundestag die Vertrau­ens­frage zu stellen, um sich dessen Unter­stüt­zung bestä­tigen zu lassen. Die soge­nannte Vertrau­ens­frage ist insbe­son­dere dann rele­vant, wenn der Bundes­kanzler nicht mehr das nötige Vertrauen des Parla­ments besitzt, beispiels­weise durch Verän­de­rungen in den Mehr­heits­ver­hält­nissen nach einem Koali­ti­ons­bruch.

Damit die Vertrau­ens­frage positiv beant­wortet wird, benö­tigt es die abso­lute Mehr­heit der Mitglieder des Bundes­tages. Wird die Vertrau­ens­frage nicht erfolg­reich beant­wortet, hat der Bundes­prä­si­dent zwei Optionen: Er kann den Bundestag auf Vorschlag des Bundes­kanz­lers inner­halb von 21 Tagen auflösen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG) oder die Regie­rung im Amt belassen, gege­be­nen­falls als Minder­heits­re­gie­rung. In letz­terem Fall kann der Bundes­prä­si­dent den Gesetz­ge­bungs­not­stand nach Art. 81 GG auf Vorschlag der Bundes­re­gie­rung ausrufen, wodurch die Regie­rung für sechs Monate Gesetze auch gegen den Willen des Bundes­tages, aber mit Zustim­mung des Bundes­rates, verab­schieden kann. Das Recht des Bundes­prä­si­denten zur Auflö­sung erlischt, wenn der Bundestag einen neuen Bundes­kanzler mit abso­luter Mehr­heit wählt (Art. 68 Abs. 1 Satz 2 GG).

Die auflö­sungs­ge­rich­tete Vertrau­ens­frage stellt eine beson­dere Form der Vertrau­ens­frage dar und dient dem Ziel von Neuwahlen. Frag­lich ist, ob der Kanzler, der noch eine Mehr­heit hinter sich hat, absicht­lich eine Vertrau­ens­frage stellt, die abge­lehnt wird oder bei der sich die Abge­ord­neten enthalten, um Neuwahlen zu ermög­li­chen. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt erlaubt dies unter der Bedin­gung, dass die poli­ti­schen Mehr­heits­ver­hält­nisse im Bundestag die Hand­lungs­fä­hig­keit des Kanz­lers so beein­träch­tigen, dass eine sinn­volle Regie­rungs­ar­beit nicht mehr möglich ist. Die Vertrau­ens­frage muss in solchen Fällen Ausdruck einer insta­bilen poli­ti­schen Situa­tion zwischen Bundestag, Bundesrat und Bundes­re­gie­rung sein. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt prüft diese mate­ri­ellen Anfor­de­rungen jedoch nur einge­schränkt und räumt dem Bundes­kanzler Spiel­raum in der poli­ti­schen Lage­ein­schät­zung ein, indem es ledig­lich eine offen­sicht­liche Miss­brauchs­kon­trolle (Evidenz­kon­trolle) durch­führt.

Hat der ehemalige Bundesfinanzminister noch einen Anspruch auf sein Ministergehalt?

Bereits nach einem Tag im Amt steht Bundes­mi­nis­tern ein soge­nanntes Über­gangs­geld in Höhe von 81.000 Euro zu, das in monat­li­chen Raten ausge­zahlt wird – auch im Fall einer Entlas­sung wie bei Lindner. Die Höhe dieses Über­gangs­gelds kann je nach Dauer der Amts­zeit auf fast 243.000 Euro anwachsen, wobei Lindner eine vergleichs­weise kurze Amts­zeit hatte. In den ersten Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt entspricht die Auszah­lung dem vollen Amts­ge­halt, redu­ziert sich jedoch später auf die Hälfte.

Ab dem zweiten Monat erfolgt eine Anrech­nung des Über­gangs­geldes auf private Einkünfte. Dies betrifft auch Lindner, da er weiterhin Diäten als Bundes­tags­ab­ge­ord­neter erhält, wodurch die Auszah­lung an ihn verrin­gert wird. Der Zweck des Über­gangs­gelds besteht darin, ehema­ligen Minister finan­zi­elle Stabi­lität zu bieten und ihnen den Über­gang in eine Berufs­tä­tig­keit außer­halb der poli­ti­schen Lauf­bahn zu erleich­tern.

Das soge­nannte Ruhe­ge­halt ist eine monat­liche Pension, die bei 4.600 Euro beginnt. Für jedes Jahr als Mitglied der Regie­rung kommen monat­lich 430 Euro hinzu, wobei maximal 12.100 Euro erreicht werden können. Chris­tian Lindner hat jedoch keinen Anspruch auf ein Ruhe­ge­halt, da ein Bundes­mi­nister mindes­tens vier Jahre im Amt gewesen sein muss, um diese Pension zu erhalten. Lindner war knapp drei Jahre im Amt, nachdem er seine Tätig­keit als Finanz­mi­nister am 8. Dezember 2021 aufge­nommen hatte.

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