Die Justitia steht Symbolisch für die Staatsanwaltschaft-Hannover

„Bruder ich denke die kommen“ – Staatsanwalt aus Hannover unter Korruptionsverdacht

Korrup­ti­ons­ver­dacht: Ein nieder­säch­si­sches Justiz-Spek­takel, das seines­glei­chen sucht – am 29. Oktober 2024 wurde bekannt, dass der 39-jährige Staats­an­walt Yashar G. aus Hannover wesent­lich in einen der größten Kokain-Schmug­gel­fälle Europas, der im Februar 2021 publik wurde, verwi­ckelt ist. Nicht nur das schlichte Ausmaß dieses Kokain-Komplexes – eine 20-köpfige Bande schmug­gelte über den Hamburger Hafen rund 16 Tonnen Kokain mit einem geschätzten Wert von 500 Millionen Euro -, sondern beson­ders der Umstand, dass der im Prozess gegen den 37-jährigen Spedi­teur Jonas H. ermit­telnde Staats­an­walt nicht von dem Prozess abge­zogen worden war, obwohl parallel ein Ermitt­lungs­ver­fahren wegen Korrup­ti­ons­ver­dachts gegen ihn lief, beför­dert grund­le­gende Kritik am und Angst um den deut­schen Rechts­staat – zu Recht?

Das Wich­tigste in Kürze


Einer der größten Kokain-Schmug­gel­fälle Europas: Der im Februar 2021 bekannt gewor­dene Kokain-Komplex hat den Handel mit rund 16 Tonnen Kokain mit einem Markt­wert von etwa 500 Millionen Euro zum Gegen­stand.

Verdacht der Bestech­lich­keit in einem beson­ders schweren Fall, Geheim­nis­verrat & Straf­ver­ei­te­lung: Der Staats­an­walt Yashar G. soll die Bande gegen Geld mit erheb­li­chen Infor­ma­tionen über die gegen die Betei­ligten laufenden Straf­pro­zesse versorgt haben.

Weiter­ermitt­lung trotz Verdäch­ti­gung: Obwohl gegen den Staats­an­walt behör­den­in­tern ein Ermitt­lungs­ver­fahren wegen Korrup­ti­ons­ver­dachts lief, wurde er vom Prozess gegen den im März 2023 durch das Land­ge­richt Hannover verur­teilten Kokain-Spedi­teur Jonas H. nicht abge­zogen.

Der BGH reagiert – Teil­auf­he­bung ohne Kausa­lität zum Korrup­ti­ons­ver­dacht: Im Dezember 2024 hob der BGH das Urteil des gegen Jonas H. auf; maßge­bend war inso­weit nicht die Mitwir­kung des Staats­an­walts, sondern die mangelnde umfas­sende Berück­sich­ti­gung der Aufklä­rungs­be­mü­hungen von Jonas H. im Rahmen der Straf­zu­mes­sung.

Der Fall – Kokain-Schmuggel über Paraguay, Hamburg und den Harz

Ursprung für den Korrup­ti­ons­ver­dacht des Staats­an­walts ist ein im Februar 2021 publik gewor­dener Kokain-Komplex. Ermittler stellten in mehreren Schiffs­con­tai­nern im Hamburger Hafen 16 Tonnen Kokain (Markt­wert: ca. 500 Millionen Euro) sicher. Aus Para­guay gelie­fert, versteckt in Blech­ka­nis­tern mit einer Spach­tel­masse, zeigt bereits der Umfang der Schmug­gelei auf, wie groß das Netz­werk hinter diesem Kokain-Handel sein muss. Zuge­ordnet werden konnte der Kokain-Schmuggel einer 20-köpfigen Bande aus Nieder­sachsen. Die Bande, deren Geschäfte im Jahre 2022 insbe­son­dere durch eine Groß­razzia zum Erliegen gebracht werden konnten, kommu­ni­zierte über eine Viel­zahl von Kryp­ton­ach­richten, in welchen mehr­fach von einem als „Coach“ bezeich­neten Staats­an­walt die Rede war. Ihren Schmuggel wickelte die krimi­nelle Bande unter anderem über eine Spedi­ti­ons­firma im Harz ab.

Feder­füh­rend trat in diesem Zusam­men­hang der Spedi­teur Jonas H. in Erschei­nung. Aus dem Harz koor­di­nierte er insbe­son­dere den Trans­port des Kokains aus dem Hamburger Hafen und war für die Eintei­lung der schmug­gelnden LKW-Fahrer verant­wort­lich. Durch diesen rang­hohen Posten im Banden­kom­plex sollen ihm Gelder von einer bis andert­halb Millionen Euro zuge­flossen sein.

Daher verur­teilte das Land­ge­richt Hannover Jonas H. im März 2023 zu einer Frei­heits­strafe von zwölf­ein­halb Jahren. Die Ermitt­lungen in diesem Straf­pro­zess leitete der Staats­an­walt Yashar G. aus Hannover; derselbe Mann, über den gemut­maßt wird, iden­tisch mit dem in den Kryp­ton­ach­richten der Bande bezeich­neten „Coach“ zu sein – und gegen den in einem Paral­lel­pro­zess ein Ermitt­lungs­ver­fahren wegen Korrup­ti­ons­ver­dachts lief.

Die Rolle des Staatsanwalts im Kokain-Komplex – was bisher bekannt ist

Die entschlüs­selten Text­nach­richten, welche die Grund­lage der Kommu­ni­ka­tion der Bande darstellten, legen nahe, dass der Staats­an­walt die Kokain-Bande im Gegenzug für Geld mit Infor­ma­tionen versorgt hat. Über den Umfang der geld­werten Vorteile ist bislang wenig gesi­chertes bekannt.

Auch die weiteren Auswir­kungen, die eine Mitwir­kung des Staats­an­walts nach sich gezogen haben könnte, sind nach dem jetzigen Ermitt­lungs­stand noch nicht gewiss.

Zwei­fellos auffällig ist jedoch, dass sich kurz vor der Groß­razzia im Jahr 2022 einige Mitglieder der Kokain-Bande erfolg­reich ins Ausland absetzen konnte. Nur 19 der rund 30 Haft­be­fehle konnten voll­streckt werden. Zu den erfolg­reich Geflüch­tigen zählt auch der mutmaß­liche Anführer der Bande, Konstan­tinos S., welcher sich erfolg­reich in die Verei­nigten Arabi­schen Emirate absetzen konnte.

Sowohl die sodann entschlüs­selten Text­nach­richten als auch die teils ohne erkenn­baren Grund miss­lun­gene Groß­razzia spre­chen dafür, dass die Kokain-Bande gewarnt wurde – durch ein „schwarzes Schaf“ aus den Reihen der Justiz. Nach jetzigen Ermitt­lungs­stand handelt es sich bei diesem mutmaß­li­chen „Maul­wurf“ um den Staats­an­walt Yashar G. 

Staatsanwalt aus Hannover – Untersuchungshaft und Korruptionsverdacht

Auf Grund­lage dieser Erwä­gungen wurde Yashar G. am 29. Oktober 2024 fest­ge­nommen und wegen Flucht­ge­fahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO in Unter­su­chungs­haft genommen. Die bis dahin geführten Ermitt­lungen gegen den Staats­an­walt lassen darauf schließen, dass er mit der Bande zusam­men­ge­ar­beitet und ihren Mitglie­dern – insbe­son­dere vor der Groß­razzia 2022 – sensible Infor­ma­tionen zukommen lassen hat, welche die Flucht einiger Haupt­ver­däch­tiger ermög­lichten.

Im Raum steht nunmehr der Verdacht der Bestech­lich­keit in einem beson­ders schweren Fall gemäß §§ 332, 335 StGB, der Geheim­nis­verrat gemäß § 353b StGB und der Straf­ver­ei­te­lung gemäß §§ 258, 258a StGB.

Befugnis zur Weiterermittlung trotz Verdächtigung

Beson­ders schwer dürfte im Fall Yashar G. ein wesent­li­ches Detail wiegen: Der seit dem Jahr 2017 im Dienst der hanno­ver­schen Staats­an­walt­schaft stehende 39-Jährige soll bereits 2022 der Korrup­tion im Kokain-Komplex verdäch­tigt worden sein, woraufhin eine Wohnungs­durch­su­chung und die Auswer­tung beschlag­nahmter Daten­träger folgten. Da sich der Verdacht nicht festigten konnte, wurde das Ermitt­lungs­ver­fahren im Jahr 2023 wieder einge­stellt – ohne dass Yashar G. seiner­seits von den Ermitt­lungen um die Kokain-Schmug­gel­fälle abge­zogen wurde.

Als entschlüs­selte Chat-Verläufe im Juni 2024 neue Verdachts­mo­mente in Rich­tung des 39-Jährigen lieferten, stand dieser schnell unter drin­gendem Tatver­dacht. Auch wurde er fest­ge­nommen, und weiter­ge­hende konkrete Maßnahmen – wie ein Vermö­gens­ar­rest – gegen ihn einge­leitet.

Eine drän­gende Frage bleibt gleich­wohl: Warum wurde Yashar G. von dem Komplex um die Kokain-Bande nicht abge­zogen, wenn bereits im Jahr 2022 erste Indi­zien auf seine unzu­läs­sige Invol­vie­rung hindeu­teten? Diese Frage wird derzeit kontro­vers disku­tiert. Während der Vorfall wegen eben­dieser fehlenden Reak­tion als „Justiz-Skandal“ dekla­riert wird, beruft sich das nieder­säch­si­sche Justiz­mi­nis­te­rium mit Blick auf die Verdachts­mo­mente aus dem Jahr 2022 darauf, dass diese eben zur Weiter­füh­rung nicht ausge­reicht, und sich ein Abziehen des Staats­an­walts von den Ermitt­lungen daher als unver­hält­nis­mäßig darge­stellt hätte. Dass im Sommer 2024 keine frühere Reak­tion erfolgte, sei auf Ermitt­lungs­er­wä­gungen zurück­zu­führen. Schließ­lich sei es nicht unüb­lich, dass Staats­an­wälte durch Ange­klagte oder Vertei­diger beschul­digt würden – so würden Inte­grität und Serio­sität der Justiz im Inter­esse der Ange­klagten leiden.

Ob es mit Blick auf die Inte­grität der nieder­säch­si­schen Justiz ein kluger Schachzug war, den bereits verdäch­tigten Yashar G. bis zum Ende der Haupt­ver­hand­lung gegen den Kokain-Spedi­teur Jonas H. im März 2023 mit dem Prozess befasst zu lassen, obwohl parallel ein Ermitt­lungs­ver­fahren wegen Korrup­ti­ons­ver­dachts gegen ihn lief, dürfte dennoch mit einem großen Frage­zei­chen versehen bleiben.

Bedeutung des Korruptionsfalles für die Integrität des Rechtsstaates – so sieht es der BGH

Zu hoffen bleibt, dass der Fall Yashar G. keinen nach­hal­tigen Riss in die großen Linien unseres Rechts­staates reißt. Bei einem Korrup­ti­ons­ver­dacht diesen Ausmaßes über­rascht es nicht, dass der Fall als Revi­sion nunmehr an den Bundes­ge­richts­hofes heran­ge­tragen wurde. Konkret musste der BGH zu der Frage Stel­lung nehmen, ob das Verfahren gegen den Kokain-Spedi­teur, welches im März 2023 vor dem Land­ge­richt Hannover mit einer Verur­tei­lung wegen banden­mä­ßigen Drogen­han­dels zu zwölf Jahren und sechs Monaten Frei­heits­strafe endete, den Grund­sätzen eines rechts­staat­lich fairen Verfah­rens genügt – obwohl der bereits zu diesem Zeit­punkt Verdäch­tigte Yashar G. als Staats­an­walt feder­füh­rend an der Verur­tei­lung mitge­wirkt hatte.

Das aus Art. 20 Abs. 3 GG herge­lei­tete Recht auf ein faires Verfahren könnte ange­sichts der Mitwir­kung des Staats­an­walts verletzt sein. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt setzt dafür die hohen Voraus­set­zungen der Preis­gabe von etwas rechts­staat­lich Unver­zicht­baren an.

Unter Zugrun­de­le­gung dieser Maßstäbe entschied und verkün­dete der 6. Straf­senat des BGH am 16. Dezember 2024 (Az. 6 StR 335/23) in Leipzig zwar die teil­weise Aufhe­bung des Urteils gegen den Kokain-Spedi­teur Jonas H. aus dem März 2023. Die Rich­te­rinnen und Richter des BGH begründen diese Entschei­dung jedoch nicht mit einer Verlet­zung des Rechts auf ein faires Verfahren, weil der unter Korrup­ti­ons­ver­dacht stehende Yashar G. am Prozess gegen Jonas H. betei­ligt war. Diese mangelnde Rechts­ver­let­zung begrün­dete der Senat damit, dass sich die Verdachts­mo­mente gegen den Staats­an­walt zur Zeit des Prozesses gegen Jonas H. noch nicht hinrei­chend erhärtet hätten. Der Staats­an­walt sei zudem weder durch erheb­liche weiter­ge­hende Pflicht­ver­let­zungen aufge­fallen, noch habe er allein an dem Prozess mitge­wirkt – dessen Vorge­setzter hatte als Sitzungs­ver­treter der Staats­an­walt­schaft den Prozess gegen Jonas H. begleitet.

Kausal für die Aufhe­bung nur bzgl. des Straf­aus­spru­ches war es nach Ansicht des 6. Straf­se­nats viel­mehr, dass die Aufklä­rungs­be­mü­hungen des Ange­klagten nicht hinrei­chend berück­sich­tigt wurden. Über den gesetz­li­chen Straf­mil­de­rungs­grund der Aufklä­rungs­hilfe nach § 46b StGB hinaus, hätte das Land­ge­richt Hannover diesen als allge­meinen Straf­mil­de­rungs­grund einbe­ziehen können. Da es daran fehlte, verwies der BGH das Verfahren bzgl. des Straf­maßes an das Land­ge­richt Hannover zurück.

Trotz teil­weiser Aufhe­bung dieses Urteils lässt sich die Entschei­dung des BGH für die nieder­säch­si­sche Justiz und damit für unseren Rechts­staat im Ganzen als Licht­blick begreifen – ange­sichts der Urteils­er­wä­gungen bleibt ein weiterer Schlag für den Umgang der nieder­säch­si­schen Justiz mit dem Staats­an­walt Yashar G. aus.

Insge­samt lässt die Mitwir­kung des unter Korrup­ti­ons­ver­dachts stehenden Staats­an­walts nur eine einzige Deutung zu: Eine Warnung mit Nach­druck, dass auch unser Rechts­staat sich vor dem Einzug der Kokain-Mafia schützen und achtsam sein muss – und bei Verdachts­mo­menten unver­züg­lich und effi­zient reagieren wird.

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