Bitcoin, Krypto, Steuerrecht & Strafrecht – Was beim Zugriff auf Seed Phrases wirklich gilt
Zugriff auf Seed Phrase: Kein klassischer Diebstahl, aber strafrechtlich relevant
OLG-Beschluss (1 Ws 185/24): Ermittlungsentscheidung, kein Urteil oder Freispruch
Strafrechtliche Einordnung: Denkbare Delikte: Ausspähen von Daten (§ 202a), Datenveränderung (§ 303a), Computerbetrug (§ 263a)
Steuerliche Risiken: Haltefrist, Staking, Lending, unvollständige Angaben oder Nachweise
Gewerblicher Handel: Möglich bei hoher Frequenz oder professionellen Strukturen
Selbstanzeige: Nur wirksam, wenn vollständig, rechtzeitig und korrekt
Unsere Kanzlei: Berät und verteidigt bundesweit im Krypto-Strafrecht und Steuerrecht – rechtssicher, diskret, erfahren.
Was der Beschluss vom 18.09.2024 wirklich bedeutet und warum Bitcoin- und Krypto-Anleger jetzt besonders wachsam sein sollten
Beschluss des OLG Braunschweig sorgt für Diskussionen
Am 18. September 2024 (Az. 1 Ws 185/24) hat das OLG Braunschweig einen Beschluss im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens erlassen, der aktuell für Gesprächsstoff sorgt. Im Kern ging es um die Frage, ob das Vermögen eines IT-Mitarbeiters arrestiert werden darf, der sich mutmaßlich unbefugt Zugriff auf eine Seed Phrase verschafft hatte.
Dabei handelte es sich nicht um ein Urteil, sondern um eine strafprozessuale Entscheidung im Ermittlungsstadium. Dennoch wirft der Fall grundsätzliche Fragen zu digitalen Zugangsdaten wie Seed Phrases und deren strafrechtlicher Relevanz auf.
Wir erklären, worum es in der Entscheidung des OLG geht und welche Konsequenzen sich aus dieser für Bitcoin- und Krypto-Anleger straf- und steuerrechtlich ergeben können.
Der Fall: Zugriff auf Seed Phrase durch IT-Mitarbeiter

Im Landgerichtsbezirk Göttingen wird gegen einen ehemaligen IT-Mitarbeiter ermittelt, der sich mutmaßlich unbefugt Zugriff auf die Seed Phrase einer Wallet verschafft haben soll. Der Beschuldigte soll damit beauftragt gewesen sein, die Kryptowallet für den späteren Anzeigeerstatter einzurichten. Absprachewidrig soll er sodann Coins auf zwei nicht unter der Kontrolle des Zeugen stehende Wallets transferiert haben. Dabei soll er den zutreffenden öffentlichen und auch den zutreffenden privaten Schlüssel verwendet haben – auf welchen der Beschuldigte durch Eingabe von 24 Sicherheitspasswörtern, die er bei der Erstellung des Wallets vergeben und absprachewidrig behalten habe, zugegriffen habe.
Durch den Transfer der Kryptowerte habe er diese der Kontrolle und den Verfügungsmöglichkeiten des Anzeigeerstatters entzogen. Es soll sich dabei um Zugangsdaten zu einem erheblichen Krypto-Vermögen in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro handeln.
Das Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft Göttingen wegen des Verdachts der Datenveränderung gemäß § 303a StGB, des Ausspähens von Daten gemäß § 202a StGB und des Computerbetrugs gemäß § 263a StGB geführt.
Die Frage, ob das Verhalten des IT-Mitarbeiters die Voraussetzungen einer strafbaren Diebstahlshandlung nach § 242 StGB erfüllt, ist nicht Gegenstand der Ermittlungen.
Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin einen Arrest zur Sicherung des Vermögens. Das Amtsgericht Göttingen ordnete diesen an. Auf Beschwerde des Beschuldigten hob das Landgericht Göttingen den Arrest auf und das OLG Braunschweig bestätigte nunmehr die Aufhebung:
Kein hinreichender Anfangsverdacht einer konkreten Straftat.
Eine Datenveränderung nach § 303a StGB liege nach Auffassung des OLG nicht vor, da lediglich eine Verletzung von Interessen des vom Inhalt der Daten Betroffenen vorliege, weshalb die Voraussetzungen des Straftatbestandes nicht erfüllt seien. Ein strafwürdiges Unrecht liege nur dann vor, wenn ein anderer als der Täter von der Tathandlung betroffen sei, mithin eine fremde Rechtsposition verletzt werde.
Die Protokollierung einer Transaktion in der Blockchain und die damit verbundene datenmäßige Veränderung der Zuordnung der Kryptowerte beinhalte zwar eine Veränderung der Zuordnung der Kryptowerte (und zugleich ein teilweises Unbrauchbarmachen) von Daten, werde aber durch die Netzwerkbetreiber und damit nicht durch die diesbezüglich Verfügungsberechtigten selbst vorgenommen.
Ein Anfangsverdacht nach § 202a StGB lasse sich – so das OLG Braunschweig – nicht begründen, da der Beschuldigte unter Nutzung der zutreffenden und nicht in rechtswidriger Weise erlangten, sondern ihm schon bekannten Passwörter auf die Wallet eines Dritten zugegriffen habe. Die erforderliche Voraussetzung des Überwindens einer besonderen Zugangssicherung liege daher nicht vor.
Weiterhin sei auch die Begehung eines Computerbetrugs nach § 263a StGB in diesem konkreten Fall abzulehnen, da es an einem täuschungsäquivalenten Datengebrauch fehle. Die Veranlassung einer Transaktion enthalte in dezentralen Blockchain-Netzwerken nicht die Miterklärung einer echten Berechtigung hierzu.
Was wurde durch den Beschluss nicht entschieden?
- Keine finale Feststellung der Legalität des Zugriffs
- Keine Bewertung, ob das Verhalten eine Diebstahlshandlung darstellt
- Keine abschließende strafrechtliche Bewertung, da es sich nicht um eine das Verfahren abschließende Gerichtsentscheidung handelt
Kernaussage des Gerichts: Ein Arrest erfordert einen konkreten Anfangsverdacht. Dieser lag im konkreten Fall nicht vor.
Strafrechtliche Einordnung: Kein Diebstahl – aber andere Delikte?
Warum wird nicht wegen Diebstahls ermittelt?
Ganz einfach: Diebstahl nach § 242 StGB setzt eine bewegliche, körperliche Sache voraus. Eine Seed Phrase ist eine digitale Information und damit keine “Sache” im strafrechtlichen Sinn. Deshalb: Keine strafbare Diebstahlshandlung.
Andere Delikte könnten jedoch erfüllt sein:
Tatbestand | Norm | Beispielhafte Anwendung |
---|---|---|
Ausspähen von Daten | § 202a StGB | Zugriff auf die Seed Phrase |
Datenveränderung | § 303a StGB | Veränderung von Wallet-Inhalten |
Computerbetrug | § 263a StGB | Nutzung der Seed Phrase zur Vermögensverschiebung |
Diese Straftatbestände können in ähnlichen Sachverhalten erfüllt sein. Im hier entschiedenen Fall verneinte das OLG Braunschweig die Voraussetzungen jedoch.
Wann könnte ein Diebstahl angenommen werden?
Ein Diebstahl im strafrechtlichen Sinne kann vorliegen, wenn z. B.:
- eine Hardware Wallet entwendet wird
- ein Papier-Backup der Seed Phrase gestohlen wird
- jemand physisch auf ein Gerät zugreift, das einen Wallet-Zugang ermöglicht
Steuerrechtliche Risiken für Bitcoin & Co.
Bitcoin und andere Kryptowährungen bergen nicht nur technische, sondern auch steuerrechtliche Risiken. Viele Anleger machen ähnliche Fehler:
Häufige Fehler:
- Verkauf von Coins innerhalb der Spekulationsfrist (1 Jahr)
- Staking- oder Lending-Einnahmen werden nicht versteuert
- Fehlende oder lückenhafte Transaktionsdokumentation
- Unvollständige Angaben in der Steuererklärung
Folge:
Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO
Jetzt handeln: Steuerliche Risiken bei Bitcoin & Krypto vermeiden
Sie handeln regelmäßig mit Bitcoin oder halten größere Krypto-Bestände?
Dann lassen Sie Ihre steuerliche Situation frühzeitig prüfen – bevor das Finanzamt es tut. Unsere Kanzlei bietet Ihnen eine diskrete Ersteinschätzung und rechtssichere Begleitung.
Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung.
Strafrechtliche Risiken über das Steuerrecht hinaus
Auch außerhalb des Steuerrechts können strafrechtliche Ermittlungen drohen, z. B. wegen:
- Verdacht der Geldwäsche
- Untreue, etwa bei fremden Wallet-Zugängen
- Nutzung von anonymen Mixern oder dezentralen Plattformen ohne Regulierung
Unsere Kanzlei ist auf die strafrechtliche Verteidigung im Krypto-Bereich spezialisiert.
Selbstanzeige: Letzte Möglichkeit zur Straffreiheit
Wenn Sie Ihre Gewinne bislang nicht oder unvollständig versteuert haben, kann eine Selbstanzeige der richtige Weg sein – aber nur unter folgenden Bedingungen:
- Sie erfolgt vollständig
- Sie erfolgt rechtzeitig (vor behördlicher Kenntnis)
- Alle relevanten Wallets, Transaktionen und Gewinne sind nachvollziehbar
Nur unter diesen Voraussetzungen kann eine Selbstanzeige strafbefreiend wirken.
Unsere Leistungen für Sie
Als wirtschaftsstrafrechtlich spezialisierte Kanzlei beraten und verteidigen wir Mandanten deutschlandweit im Bereich digitaler Assets:
- Rechtliche Bewertung von Wallets, Coins & Transaktionen
- Steuerrechtliche Strukturierung für Hodler & Unternehmer
- Verteidigung bei Ermittlungen – von Steuerhinterziehung bis Computerbetrug
- Erstellung von Selbstanzeigen
- Prüfung von internationalen Sachverhalten & Kryptozugängen
Digitale Assets brauchen digitale Strategien. Lassen Sie sich professionell beraten, bevor es zu spät ist.
Kontaktieren Sie uns jetzt
Ob Hodler, Unternehmer oder Trader: Wir beraten Sie zur steuerlichen und strafrechtlichen Behandlung Ihrer digitalen Vermögenswerte – fundiert, diskret und bundesweit.
Vereinbaren Sie jetzt eine unverbindliche Ersteinschätzung.