Symbolbild für Haft: Mauern geben nur kleinen Blick auf Himmel frei

Unschuldig in Untersuchungshaft?

Nicht selten finden sich Personen in Unter­su­chungs­haft wieder, obwohl sie das ihnen vorge­wor­fene Verbre­chen nie begangen haben. So wird die Unter­su­chungs­haft in Deutsch­land in vielen Fällen zu Unrecht ange­ordnet – meist mit gravie­renden Folgen für den Inhaf­tierten.

Der Beschul­digte wird meis­tens urplötz­lich aus dem Leben gerissen, er hat keine Möglich­keit sich auf die Inhaf­tie­rung vorzu­be­reiten. Infol­ge­dessen sieht er sich nicht nur mit den emotio­nalen Belas­tungen, die aus dem Einge­sperrt­sein und der Tren­nung von seiner Familie resul­tieren, konfron­tiert, sondern muss sich zuweilen auch mit der Sorge, seinen Arbeits­platz oder seine Wohnung aufgrund der Inhaf­tie­rung zu verlieren, ausein­an­der­setzen. Selbst dann, wenn Beschul­digte aus der Unter­su­chungs­haft entlassen werden, können sie die Inhaf­tie­rung in den meisten Fällen nie vergessen, sind stig­ma­ti­siert und oftmals trau­ma­ti­siert.

Die Unter­su­chungs­haft stellt einen massiven Eingriff in die grund­recht­lich geschützten Frei­heits­rechte des Beschul­digten – welcher bis zu einem rechts­kräf­tigen Urteil aufgrund der Unschulds­ver­mu­tung als unschuldig gilt – dar.

Gerade, weil die Inhaf­tie­rung zu erheb­li­chen Belas­tungen und gravie­renden Folgen führen kann, müssen die Voraus­set­zungen dieses verfah­rens­si­chernden Zwangs­mit­tels von Seiten des Gerichts beson­ders sorgsam geprüft werden und die Unter­su­chungs­haft darf nur als ultima ratio ange­ordnet werden.

Ziel der Unter­su­chungs­haft ist es die Anwe­sen­heit des Beschul­digten im Prozess zu sichern, die Tatsa­chen­er­mitt­lung zu gewähr­leisten und eine mögliche spätere Straf­voll­stre­ckung zu gewähr­leisten.

Gemäß § 112 Abs. 1 StPO muss der Täter einer Straftat drin­gend verdächtig sein, es muss ein Haft­grund (Flucht, Flucht­ge­fahr, Verdunk­lungs­ab­sicht, Wieder­ho­lungs­ge­fahr) bestehen und die Anord­nung der Unter­su­chungs­haft muss verhält­nis­mäßig sein.

Ein drin­gender Tatver­dacht ist dann gegeben, wenn nach den bishe­rigen Ermitt­lungen konkrete Tatsa­chen erwarten lassen, dass der Täter mit hoher Wahr­schein­lich­keit eine Straftat rechts­widrig und schuld­haft begangen hat oder an der Bege­hung einer Straftat betei­ligt war.

In den meisten Fälle wird die Anord­nung der Unter­su­chungs­haft auf den Haft­grund der Flucht­ge­fahr gestützt. Aber was ist über­haupt eine solche Flucht­ge­fahr und welche Voraus­set­zungen müssen für Ihre Annahme erfüllt sein?

Eine Flucht­ge­fahr wird über­wie­gend dann ange­nommen, wenn die Würdi­gung aller Umstände des Einzel­falls es wahr­schein­li­cher macht, dass der Beschul­digte sich dem Verfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfü­gung halten wird.

Hierbei darf die Annahme der Flucht­ge­fahr nicht auf Vermu­tungen gestützt werden, sondern muss sich aus bestimmten Tatsa­chen ergeben. Dass eine Flucht­ge­fahr „denkbar“ ist, etwa weil der Beschul­digte, Ausländer ist und daher Verbin­dungen ins Ausland haben könnte, genügt ebenso wenig für die Annahme einer Flucht­ge­fahr wie die Vermu­tung, der Beschul­digte lebe in prekären wirt­schaft­li­chen Verhält­nissen.

Erfor­der­lich ist eine Gesamt­ab­wä­gung aller für und gegen eine drohende Flucht spre­chende Gesichts­punkte. Zu den maßgeb­li­chen Umständen gehören vor allem die Art der dem Beschul­digten vorge­wor­fenen Tat, die Persön­lich­keit des Beschul­digten, seine Lebens­ver­hält­nisse, sein Vorleben sowie sein Verhalten vor und nach der Tat. Zu berück­sich­tigen ist insbe­son­dere auch ein von der Straf­er­war­tung gege­be­nen­falls ausge­hender erheb­li­cher Anreiz zur Flucht.

Oftmals können die Inhaf­tierten ihre Frei­heit nur durch eine/n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin zurück­er­langen, der/die für Ihre Befreiung kämpft. Mögliche Rechts­mittel, um gegen einen Haft­be­fehl vorzu­gehen, sind die Haft­prü­fung (§ 117 Abs. 1 i. V. m. § 118 StPO) und die Haft­be­schwerde (§ 304 StPO).

Im Rahmen beider Rechts­mittel ist es von beson­derer Wich­tig­keit die Argu­mente vorzu­tragen, die gegen die Aufrecht­erhal­tung des Haft­be­fehls oder aber für die Außer­voll­zug­set­zung des Haft­be­fehls spre­chen.

Für den Fall, dass die Rechts­wid­rig­keit der Anord­nung der Unter­su­chungs­haft fest­ge­stellt wird, können die zu Unrecht Inhaf­tierten eine finan­zi­elle Entschä­di­gung nach dem Gesetz über die Entschä­di­gung für Straf­ver­fol­gungs­maß­nahmen (StrEG) gelten machen. Die Entschä­di­gung für einen Hafttag liegt aktuell bei 75 Euro – ein schwa­cher Trost für dieje­nigen, die sich zu Unrecht in Unter­su­chungs­haft befanden.

Sollten Sie weitere Fragen haben oder Beschul­digter in einem Straf­ver­fahren oder Steu­er­ver­fahren (Steu­er­straf­ver­fahren) sein, so kontak­tieren Sie uns gerne.

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